Ehrenbürgerschaft Hitlers in Brühl (Fortsetzung)




Dieser erklärte, die Alliierten hätten „im Jahre 1946 beschlossen, dass Kriegverbrecher keine Ehrenbürger sein können.“ Es sei „somit eine feststehende Tatsache, dass Hitler nicht mehr zu den Ehrenbürgern der Stadt Brühl“ gehöre. Theresa schrieb zurück und fragte nach, ob der Bürgermeister nähere Angaben zu dem Beschluss machen könne (Datum, Titel, Aktennummer), und erfuhr vom Bürgermeister, es handele sich um Artikel VIII, Ziffer II, Buchstabe i der Direktive 38 des Alliierten Kontrollrats in Deutschland vom 12. Oktober 1946. Er habe aber „den genauen Wortlaut des Beschlusses ... leider nicht zur Verfügung“.

Theresa informierte sich und bat in einem erneuten Brief am 20. Januar 2009 den Brühler Bürgermeister, „den Antrag auf Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers zu stellen“. Dieser Antrag kam schon am 16. Februar 2009 in den sog. Hauptausschuss des Rates. Dieser folgte dem Beschlussvorschlag von Bürgermeister und Verwaltung, der deutlich machte, dass eine Beschäftigung mit diesem Thema eigentlich überflüssig sei. Lapidar hieß es: „Der Rat bestätigt, dass das Ehrenbürgerrecht von Adolf Hitler und Paul von Hindenburg erloschen ist.“

Drei Gründe wurden angeführt:
erstens:
„Für Kriegsverbrecher wurde der Verlust des Ehrenbürgerrechts gemäß Artikel VIII, Ziffer II, Buchstabe i der Direktive 38 des Alliierten Kontrollrats in Deutschland vom 12. Oktober 1946 festgelegt.“

zweitens:
Der Rat der Stadt habe bereits 1983 mit den Ehrenbürgerschaften Hitlers und Hindenburgs „thematisiert“ und „den Standpunkt vertreten, dass sich eine Rückgängigmachung des Beschlusses erübrige, da feststehe, dass die beiden Kriegsverbrecher keine Ehrenbürger der Stadt Brühl mehr sind.“

drittens:
sei nach § 34 der Gemeindeordnung von Nordrhein – Westfalen „eine formale Entziehung des Bürgerrechts (?) nur solange möglich, als der Betreffende noch lebt.“ Zusätzlich wies der Bürgermeister darauf hin, dass man „durch eine erneute Thematisierung ... diesem traurigen Kapitel der deutschen Geschichte nur wieder Aufmerksamkeit verleihen“ werde, „die gerade nicht gewollt ist“.


Erst nach der Hauptausschusssitzung scheint bewusst geworden zu sein, was wirklich in der Kontrollratsdirektive von 1946 steht. In Artikel VIII geht es nämlich um "Sühnemaßnahmen gegen Hauptschuldige" der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Auf Hindenburg, der schon im August 1934 verstorben war, ließ sich das eigentlich nicht anwenden. Aber vielleicht auf Hitler, der sich Ende April 1945 das Leben genommen hatte?

Doch schon der Begriff der Sühne im Titel des Artikels deutet an, dass er lediglich auf damals noch lebende Personen anzuwenden ist. Dies wird noch deutlicher, wenn man sich den Wortlauf von Buchstabe i) genauer anschaut: "Sie verlieren alle ihnen erteilten Approbationen, Konzessionen und Vorrechte sowie das Recht, ein Kraftfahrzeug zu halten."

Approbationen, also die staatliche Zulassung als Arzt oder Apotheker, macht wohl nur bei noch lebenden Personen Sinn. Dies gilt auch bei Konzessionen, also bei zeitlich befristeten behördlichen Genehmigungen eines Gewerbes z.B. bei Verlegern oder Gastwirten - und ganz gewiss richtet sich auch der Verlust des Rechts, ein Kraftfahrzeug zu halten, an damals noch lebende Personen.

Blieben die Vorrechte, zu denen vielleicht auch jene Rechte gehören, die aus einem Ehrenbürgerrecht erwachsen können. Denn das Wort Ehrenbürgerrecht kommt ja gar nicht vor. Es geht wahrscheinlich um Vorrechte wie der kostenlose Besuch eines Zoos oder Museums, die kostenlose Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Schwimmbäder, wie sie in vielen Städten mit dem Ehrenbürgerrecht verbunden waren und sind. Diese Vorrechte jedoch konnte nur eine noch lebende Person verlieren. Aber auch Hitler war 1946 bereits tot.

Eine Aberkennung des Ehrenbürgerrechts in Bezug auf Hitler hat deshalb 1946 wie auch bei Hindenburg gar nicht stattfinden können – jedenfalls nicht mit Buchstabe i).

In der noch verbleibenden Woche über Karneval bis zur entscheidenden Ratssitzung am 2. März 2009 wurde die Verwaltungsvorlage des Bürgermeisters von den Fraktionsvorsitzenden überarbeitet und völlig neu gestaltet. Dabei geschah nun etwas völlig Einmaliges. Die Ehrenbürgerschaft Paul von Hindenburgs, Generalfeldmarschall des 1. Weltkrieges und späterer Reichspräsident von 1925 bis 1934, wurde nämlich plötzlich ohne jede Angabe von Gründen für nichtig erklärt. Bei Hitler berief man sich nicht mehr auf den Buchstaben i), dafür nur noch ganz allgemein auf die Direktive 38 der Alliierten – ohne dass klar ist, ob sich dort noch etwas wirklich Wichtiges für diesen Sachverhalt befindet. Zugleich beruft man sich auf die Ratssitzung von 1983, in der man sich auf 1946 berufen hatte.

Wichtiger scheint, dass der Rat sich von der „verbrecherischen Rolle Adolf Hitlers“ offiziell distanziert. Im Wortlaut lautet der nun gefasste Ratsbeschluss:
„ Der Rat der Stadt Brühl erklärt, dass er die dem Kriegsverbrecher Adolf Hitler erteilte Ehrenbürgerschaft der Stadt Brühl von 1933 gemäß der Direktive 38 des Alliierten Kontrollrates sowie aufgrund der historisch belegten, verbrecherischen Rolle Adolf Hitlers und unter Berücksichtigung der Behandlung der Thematik im Rat der Stadt Brühl im Jahre 1983 als nichtig betrachtet.
Des Weiteren wird die Ehrenbürgerschaft von Paul von Hindenburg ebenfalls als nichtig betrachtet.
Darüber hinaus erklärt der Rat, dass er jede Form antidemokratischen und menschenverachtenden Engagements und Handelns aus jeglicher politischen Richtung und gesellschaftlichen Gruppierung als ein für die Stadt Brühl nicht tolerierbares, unehrenhaftes Verhalten verurteilt.“

Ohne das Engagement, die Hartnäckigkeit und den Mut von Theresa Klümper wäre es nicht zu diesem Beschluss gekommen – auch wenn dieser noch Schwachstellen enthält. Aber sie sind auch der Notwendigkeit von Kompromissen und der Anerkennung der Mehrheitsverhältnisse geschuldet. Dieses Dokument – in all seiner merkwürdigen Widersprüchlichkeit – ist ein Stück gelebte Demokratie.

Nicht nur der letzte Absatz des Beschlusses macht Mut. Der Rat der Stadt Brühl hat sich erstmals eindeutig und offiziell vom damaligen Beschluss des Rates von 1933 distanziert. Er hat Hitler und Hindenburg die Ehrenbürgerschaft nicht einfach nur aberkannt, er hat sie für nichtig erklärt. Dies ist die deutlich schärfere Formulierung. Zugleich gab es die Zusage, die Seite der offiziellen Homepage der Stadt zu ändern.

Danke Theresa!