Das Oberstufenzentrum





Der Neubau des Oberstufenzentrums - eine fast unendliche Geschichte


Nach der Übernahme der Ursulinen-Schule
durch das Erzbistum Köln am 1.4.1962 und
trotz des völligen Neubaus der Schule (1966:
Atriumgebäude, 1970: Turnhalle, 1972: Ver-
waltungsgebäude) wird es wegen der stetig
wachsenden Schülerzahl schnell wieder eng
und schon 1977 wird Frau OStD' i.K. Strack
eine Schulerweiterung zugesagt, deren Kon-
zeption samt einem Modell zwei Jahre spä-
ter dem Planungsamt der Stadt vorgestellt


 
wird. Ein halbes Jahr später kommt die Ant-
wort: "Wegen Nachbareinsprüchen kann der
Bauantrag nicht bearbeitet werden."

Auch ein erneuter Vorstoß von Frau Strack
bleibt erfolglos und im Juli 1982 schreibt sie
an den Generalvikar: "Ich (bin) zu der Über-
zeugung gekommen, daß wir - bedingt durch
die finanzielle Lage - jetzt auf den Erweite-
rungsbau verzichten und dafür eine Über-
gangslösung schaffen wollen." Die Über-
gangslösung ist eine zusätzliche Baracke
sowie die Umwidmung von Klassenräumen
in zusätzliche Fachräume.

Zwischen Mai 1986 und August 1987 wen-
det sich Herr OStD i.K. Otte sieben Mal an
die Schulabteilung, um auf die unzulängliche
Raumsituation hinzuweisen, doch erst ein
Schreiben vom Mai 1988 an Dompropst Hen-
richs bringt Bewegung in die Sache. Schon
drei Monate später ist ein Architekt beauf-
tragt, schon sechs Monate später werden
die Pläne und ein Modell den Besitzern der
anliegenden Grundstücke vorgestellt und im
Juni 1989 wird der Bauantrag eingereicht.
Dann geschieht lange Zeit nichts und erst
ein Jahr später kommt es im Planungsaus-
schuss der Stadt zu einer Kampfabstim-
mung: CDU, BVB und FDP stimmen der notwendigen Befreiung bezüglich der Bau-
fluchtlinien und der Baumasse zu, SPD und Grüne stimmen dagegen, wobei die SPD die Beanstandung des Beschlusses ankündigt,
weil sie ihn für rechtswidrig hält.



Das Aus scheint wirklich da zu sein; denn
als 2 von 14 Nachbarn Einspruch erheben,
sieht auch die Stadt keine Möglichkeit mehr,
unser Vorhaben ohne Aufstellung eines neu-
en Bebauungsplanes zu genehmigen. Daran
können auch erneute Gespräche mit den
Parteien und den Nachbarn nichts mehr än-
dern.

 



Ein Hoffnungsschimmer aber bleibt, weil im
August 1990 bis auf die Grünen alle Partei-
en im Bauausschuss die Aufstellung eines
neuen Bebauungsplanes beschließen; doch
ist davon auszugehen, dass sich das einge-
leitete Verfahren über Jahre hinziehen wird.



Rückblickend wissen wir, dass wohl nur
deshalb schon Ende 1993 ein rechtskräfti-
ger Bebauungsplan vorliegen konnte, weil
Stadtdirektor Dr. Leder, Bürgermeister
Schmitz und die damaligen Mehrheitsfrak-
tionen im Stadtrat unser Anliegen forciert
haben.

In der Zwischenzeit ist man auch im Gene-
ralvikariat nicht untätig, sondern beschließt,
für eine völlige Neuplanung einen Architek-
tenwettbewerb auszuloben, bei dem das Ar-
chitekturbüro Martini & Kraume aus Bonn
1995 den Zuschlag erhält für eine Planung,
die den zuvor in zahlreichen Sitzungen erar-
 


beiteten Wünschen und Anregungen des
Kollegiums am nächsten kommt.

Im Sommer 1996 werden die Baracken ab-
gerissen, in der Turnhalle werden Ersatz-
räume hergerichtet. Als am 21. Mai 1997
nach weiteren Verzögerungen im Geneh-
migungsverfahren endlich mit den Bauar-
beiten begonnen wird und auch noch die
Ersatzräume in der Turnhalle wegfallen,
rücken Lehrer und Schüler ohne zu klagen
noch enger zusammen und ertragen die
Lärmbelastung mit großer Gelassenheit.
Das alles ist am 19.11.1998 mit der Ein-
weihung des Oberstufenzentrums durch
Prälat Trippen vergessen.





(Zitat aus der Ansprache von OstD i.K. Werner Otte am 19.11.1998)

Nun ist es so weit: wir können ab morgen die Arbeit in einem Schulgebäude aufnehmen,
das eher an ein Tagungshaus erinnert, und ich hoffe, dass unsere Vorstellung Wirklichkeit
wird, dass der äußere Rahmen sich positiv auswirkt auf das, was innen geschieht. Wir se-
hen: nicht die Funktionalität hat die Gestaltung bestimmt - sonst wäre nicht so viel helles,
weiches, verletzliches Holz verwendet worden. Nein, Gestaltungsprinzip war der Wunsch,
eine angenehme, warme Atmosphäre zu schaffen, in der sich auch ein angenehmes Lern-
klima entwickeln kann. Und meine Erwartung ist, dass alle, die hier arbeiten dürfen, das
Gebäude benutzen in Respekt vor der Leistung derer, die es durch die Zahlung von Kirchen-
steuer finanziert haben, die es geplant und mit ihrer Hände Arbeit errichtet haben. Gehen
wir pfleglich damit um, damit wir es in gutem Zustand erhalten und an immer neue Schüler-
und Lehrergenerationen weitergeben können.

Zweitens: wir bekommen ein Gebäude geschenkt, das praktisch nach allen Seiten offen ist,
das uns nicht von der Außenwelt abschottet und das auch von außen den Blick nach innen
frei gibt. Dies möchte ich programmatisch verstanden wissen:




Unser Gymnasium darf kein Elfenbeinturm sein, in dem ohne Bezug nach außen gearbeitet
wird, in dem nicht immer wieder neu gefragt wird, was und wofür junge Menschen lernen sol-
len. Dabei darf aber gymnasiale "Bildung" nicht eingeengt werden auf den Begriff der "Aus-
bildung" für die Bedürfnisse von Wirtschaft und Industrie - nein, unser Gymnasium muss
junge Menschen anleiten und befähigen, nach allen Seiten offen zu sein, nicht in dem Sinn,
sein Fähnchen nach jedem Wind drehen zu können, vielmehr in dem Sinn, sich für alles,
was um uns herum geschieht, zu interessieren, es wahrzunehmen und sich damit ausein-
anderzusetzen. Weil wir so arbeiten und weil sich in aller Regel unsere Abiturientinnen und
Abiturienten mit dem, was sie hier gelernt haben, draußen bewähren, brauchen wir auch
keine Angst zu haben, uns in die Karten schauen zu lassen. Jeder kann jederzeit hinein-
schauen - übertragen und real.

Ein letzter Gedanke: auch in diesem Gebäude finden wir in jedem Unterrichtsraum ein Kreuz
- und auch das ist nicht einfach rituelles Beiwerk einer kirchlichen Schule, sondern Pro-
gramm; denn die Kreuze sind farbig und greifen das Grün des Vortragekreuzes von Herrn
Gies in der St. Ursula-Kapelle auf. Es soll dadurch deutlich werden, dass an unserem Gym-
nasium Glaube und Vernunft, fides et ratio, nicht zu trennen sind und dass deshalb Kapelle
und Oberstufenzentrum aufeinander bezogen sind. "Glaube und Vernunft (fides et ratio) sind
wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit
erhebt." - so lautet auch der erste Satz der neuen Enzyklika von Papst Johannes Paul II. und
ihn haben wir in den Neubauten und durch die Verbindung der Kreuze - ohne es zu ahnen -
bereits vorweggenommen.

Ein katholisches Gymnasium muss daran zu erkennen sein, dass in ihm noch die Frage
nach der Wahrheit gestellt wird und dass Antworten gesucht werden, weil man sie nicht
grundsätzlich ausschließt; es muss daran zu erkennen sein, dass wir Lehrer, die wir uns
um den Dienst in einer katholischen Schule beworben haben, neben der Empirie und der
Ratio auch die Hl. Schrift als Offenbarung Gottes und als Quelle der Erkenntnis anerken-
nen und grundsätzlich in den Unterricht aller Fächer einbeziehen. Es muss daran zu erken-
nen sein, dass wir Lehrer mit der Frohbotschaft unseres Glaubens Sauerteig, Licht und Salz
der Erde sein wollen in einer Gesellschaft, in der nur noch " 'der mögliche Konsens' ... Prin-
zip und Ziel der kulturellen und philosophischen Reflexion und des Dialogs (wird)" (i), in der
"alles auf Meinung reduziert" (ii) ist - auch der christliche Glaube - und in der "die legitime
Pluralität von Denkpositionen [...] einem indifferenten Pluralismus gewichen (ist), der auf der
Annahme fußt, alle Denkpositionen seien gleichwertig." (iii)

Von daher ist es dann auch kein Wunder, dass für viele Menschen die Frage nach dem Sinn
des Lebens so belastend geworden ist, dass man sie gerne im Konsum verdrängt, weil es ja
- wie man meint - keine "wahre" Antwort geben kann. Lassen Sie mich als unverdächtigen,
weil nicht-christlichen Zeugen Umberto Eco zitieren:

"Wir erleben (und sei's auch nur in der zerstreuten Weise, an die uns die Massenmedien ge-
wöhnt haben) unsere Schrecken der Endzeit; und wir können sogar sagen, wir erleben sie im
Geiste des 'Laßt uns fressen und saufen, denn morgen sind wir tot', indem wir das Ende der
Ideologien und der Solidarität im Strudel eines unverantwortlichen Konsumismus feiern. So
daß ein jeder mit dem Gespenst der Apokalypse spielt und es gleichzeitig exorziert, ja es um
so mehr exorziert, je mehr er es unbewußt fürchtet, und es in Form von brutalen Spektakeln
auf die Bildschirme projiziert in der Hoffnung, es dadurch unwirklich gemacht zu haben." Denn
nur mit einem Ziel könne man "die irdische Wirklichkeit lieben" und glauben, daß es noch
"Platz für die Hoffnung" gäbe. Gäbe es diese Hoffnung nicht, "wäre es gerechtfertigt, daß wir
auch ohne ans Ende zu denken, sein Nahen hinnehmen, uns vor die Mattscheibe setzen [...]
und warten, daß uns jemand unterhält, während die Dinge laufen, wie sie laufen." (iv)


Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schülerinnen und Schüler!

Das Kreuz in unseren Kursräumen soll uns Tag für Tag vor diesem Pessimismus bewahren
und daran erinnern, dass wir von Gott gewollt und geliebt sind und dass wir als Erlöste zur
Mitarbeit an der Erlösung der Welt berufen sind. Darum wollen wir jeden Morgen im Angesicht
des Kreuzes mit einem Gebet beginnen in dem Bewusstsein: "Das ist der Tag, den der Herr
gemacht; lasst uns jubeln und seiner uns freuen".


——————————————
(i) Kardinal Ratzinger. Der Glaube antwortet auf die Krise der Vernunft, in DT vom 17.10.98
(ii) Enzyklika "Fides et Ratio" Nr.5
(iii) ebd.
(iv) Umberto Eco in seinem 1995 begonnenen Briefwechsel mit Kardinal Martini von Mailand (veröffentlicht unter dem Titel: Carlo Maria Martini / Umberto Eco: Woran glaubt, wer nicht glaubt? - Paul Zsolnay Verlag Wien 1998). Der ganze Abschnitt ist Zitat der Buchbespre-
chung von Stefan Rehder in DT vom 14.11.98

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