Kölner Stadtanzeiger vom 29. April 2009



„Schule ist für Schüler da“


Werner Otte geht nach 24 Jahren als Brühler Schulleiter in Vorruhestand




Von Stefanie Schmidt

Werner Otte, begeisterter Pädagoge und Leiter des St.-Ursula-Gymnasiums in Brühl, geht in den Vorruhestand. Die Leitung des Gymnasiums übernimmt die bisherige Stellvertreterin Claire Pickartz.

BRÜHL - An der Wand von Werner Ottes Büro hängt ein Bild von Hundertwasser. Die obere Hälfte zeigt viele kleine, ineinander verschachtelte und aufeinandergetürmte bunte Häuser. Die untere Hälfte genau das Gleiche - spiegelverkehrt. „Ich bin kein großer Kunstkenner“, sagt der Schulleiter des St.-Ursula-Gymnasiums Brühl. „Aber dieses Bild habe ich mir ausgesucht, weil ich das Schulleben darin erkennen kann.“ Die Häuser symbolisieren für ihn Schüler, Lehrer und Eltern: alle sind verschieden, haben unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse. Und doch sind sie so ineinander verschachtelt, dass sie nur gemeinsam funktionieren. Würde man ein Häuschen herausnehmen, bräche das ganze Konstrukt zusammen. „Und die Spiegelung in dem Bild ist auf dem ersten Blick verwirrend, man weiß nicht: Was ist echt? Was ist Fassade? Was steckt dahinter? Und auch diese Fragen muss man sich in der Schularbeit immer wieder stellen“, erklärt Otte.

Nach 24 Jahren als Schulleiter wird der 62-Jährige zum Ende des Schuljahres das Bild von der Wand abhängen, Otte geht in Vorruhestand. Seine Interpretation des Hundertwasser-Gemäldes verrät viel über die Philosophie, mit der er die Privatschule des Erzbistums Köln fast ein Vierteljahrhundert lang geleitet hat. „Die Schule ist für die Schüler da und nicht die Schüler für die Schule“, ist Ottes Leitspruch. „Das heißt nicht, dass die Schule das machen soll, was die Schüler sagen“, stellt der 62-Jährige klar. Schließlich stecke in dem Wort „Erziehung“ der Bestandteil „ziehen“ - ein klarer Hinweis darauf, dass hinter einer guten Erziehung auch ein gewisser Druck stecken müsse.


Studium in Köln und Bonn

Vielmehr fordert Otte, bei jeder Entscheidung zu hinterfragen, was das Beste für die Schüler ist, unabhängig von persönlichen Interessen der Lehrer, Eltern - oder auch der Schüler selbst. Dass gute Pädagogik in der Schulverwaltung anfängt, hat Otte schon früh gelernt. Nach seinem Studium in Köln und Bonn und dem Referendariat fing er als Lehrer für Latein und katholische Religion am Gymnasium Rösrath an. Dort wurde er schon mit 28 Jahren in die Schulverwaltung eingebunden. „Dadurch konnte ich schon früh Schule von einer anderen Seite kennen lernen.“ Und er stellte erstaunt fest, dass Stundenplanerstellung und die Zuteilung von Lehrern zu Klassen keineswegs nur unvermeidbare Verwaltungsaufgaben sind, sondern eine wichtige Grundlage für die Lehre. „Man hat Einfluss darauf, welche Stunden wann stattfinden. Von der Uhrzeit und den vorhergegangenen Stunden hängt auch ab, wie intensiv unterrichtet werden kann“, erklärt Otte. Ebenso stimmt er die Klassenverteilung an die Lehrer ab. „Mittlerweile kennt man sein Personal ja und weiß: Wenn die Klasse zwei Jahre mit Lehrer A verbracht hat, kann sie dann Lehrer B vertragen“, sagt Otte schmunzelnd.

Auch an seiner zweiten Schule, in seiner Heimatstadt Overath, wurde Otte in die Verwaltung eingebunden. Nachdem er von der Schulleitung in Rösrath so begeistert war, enttäuschte ihn die Direktion in Overath, und er beschloss, selbst Schulleiter werden zu wollen, und bewarb sich auf die Stelle in Brühl.


Haus selbst gebaut

Wohnen blieb Otte mit seiner Frau und seinen heute 27-jährigen Zwillingen aber in Overath. „Man kann nicht so vermessen sein, zu erwarten, dass vor der Haustür eine Stelle als Schulleiter frei wird. Mein Haus in Overath habe ich selbst gebaut, das wollte ich nicht aufgeben. Deswegen kann ich mich jetzt auch nicht über den Arbeitsweg beschweren.“ Und schließlich hat es auch Vorteile, nicht am Arbeitsort zu leben. „In Overath konnte ich Elterngespräche beim Einkaufen erledigen, das war nicht schlecht. Aber ein bisschen Abstand im Feierabend zu haben schadet auch nicht.“

Auch wenn nicht gerade im Supermarkt: Intensive Gespräche zwischen Eltern, Schülern und Lehrern sind für Otte das wichtigste Element einer funktionierenden Schule. „Kinder müssen das Gefühl haben, dass die Schule ein Ort ist, an dem man sich um sie kümmert und für sie interessiert“, sagt der Schulleiter. Wenn das gelinge, seien Schüler auch nett zu Lehrern, ebenso würden Eltern die Leistungen der Lehrer anerkennen und loben. Dadurch sind Lehrer in ihrem Beruf zufrieden und motivierter. Ein Kreislauf.

Die Arbeit mit Schülern und Kollegen wird Otte vermissen, wenn er im Sommer die Schulleitung an seine bisherige Stellvertreterin Claire Pickartz übergibt. An seiner Entscheidung zweifelt er dennoch nicht: „Alles im Leben hat seine Zeit. Und jetzt ist für mich die Zeit für private Dinge.“ Einfach mal draußen sitzen, Zeitung lesen und die Möglichkeit haben, sich spontan mit Freunden zu verabreden. Dass ihm das zu langweilig wird, schließt Otte nicht aus: „Aber dann finde ich bestimmt eine Möglichkeit, mich zu engagieren. Vielleicht bei der Telefonseelsorge oder in einer Stiftung. Aber vorerst will ich mir einfach einmal nichts vornehmen.“

Kölner Stadtanzeiger vom 29.04.2009



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