Von ULRIKE WEINERT
BRÜHL. Schüler Max Roestel war kaum überrascht, als sein Handy klingelte
und sich der Referent von Verteidigungsminister Franz Josef Jung aus
Berlin meldete. Zusammen mit Niklas Weiler, der ebenfalls die
Jahrgangsstufe 11 am St.-Ursula-Gymnasium besucht, hatte Max die
Organisation der Veranstaltungsreihe „Politik macht Schule“ übernommen
und unter anderem im Bundesministerium für Verteidigung angefragt, ob
der hochrangige Politiker Zeit hätte, mit den Brühler Gymnasiasten zu
sprechen. Es traf sich gut, dass Jung zur Feier des 40-jährigen
Bestehens des Bundessprachenamtes in Hürth im Brühler Schloss
Augustusburg erwartet wurde.
Gestern Morgen füllte sich die Aula an der Kaiserstraße mit 430
Gymnasiasten der Jahrgangsstufen 10 bis 12. Die Jugendlichen begrüßten
Jung herzlich. Der wiederum nutzte seinen Auftritt, um für die Bundeswehr
zu werben, vor allem um Vertrauen zu schaffen und nicht zuletzt seine
sicherheitspolitischen Standpunkte darzulegen. Schulleiter Werner Otte
sah die „Begegnung mit einem lebendigen Politiker“ auch als „Werbung für
politisches Engagement“.
Der Minister, der wenige Monate vor Gründung der Bundesrepublik vor 60
Jahren geboren wurde, erläuterte, welchen Anteil Streitkräfte an der
Sicherung von sechs Jahrzehnten in Frieden, Freiheit und einem
Rechtsstaat sowie nicht zuletzt an der Überwindung der deutschen Teilung
hatten. Der Kalte Krieg habe zwar ein Ende, aber ewiger Friede sei nicht
eingetreten, leitete Jung zu den aktuellen Bedrohungen durch Terrorismus
und Krisenherden in der Welt über. Wiederholt sprach er vor allem in
Verbindung mit dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr von der „Strategie
der vernetzten Sicherheit“ und der Rolle der NATO. Angesichts von
Herausforderungen wie neuerdings der Piraterie, die den deutschen Seehandel
bedroht, sieht Jung eine große Schwierigkeit in der verfassungsrechtlichen
Trennung der Aufgaben von Bundeswehr und Polizei. „Wenn die Fähigkeiten und
die Mittel der Polizei nicht mehr ausreichen, muss es möglich sein, die
Bundeswehr einzusetzen, und dafür müssen wir eine Verfassungsgrundlage
bekommen“, so der Verteidigungsminister.
Schüler stellten zahlreiche Fragen
Die Schüler „bombardierten“ den Gast nach seinem Vortrag mit Fragen. So
wollten sie wissen, ob es sich bei den Aktivitäten der Bundeswehr im
Norden Afghanistans nicht doch um einen Kriegseinsatz handelt, warum der
Bundeswehr-Etat höher ist als die Ausgaben für Bildung, was er von einer
Europa-Armee hält oder warum nicht verhindert werden konnte, dass in der
afghanischen Regierung Fundamentalisten sitzen.
Fragen gab es auch zur atomaren Aufrüstung Nordkoreas und der Gefahr eines
Weltkrieges, resultierend aus dem Kaschmir-Konflikt. Schließlich
interessierte noch, wie der Arbeitsalltag eines Verteidigungsministers
abläuft. Kommende Woche reist Verteidigungsminister Jung ins Baltikum.
Kölnische Rundschau vom 06.06.2009
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