Kölnische Rundschau vom 06.06.2009



Bundeswehr soll Polizeiaufgaben übernehmen




Von ULRIKE WEINERT

BRÜHL. Schüler Max Roestel war kaum überrascht, als sein Handy klingelte und sich der Referent von Verteidigungsminister Franz Josef Jung aus Berlin meldete. Zusammen mit Niklas Weiler, der ebenfalls die Jahrgangsstufe 11 am St.-Ursula-Gymnasium besucht, hatte Max die Organisation der Veranstaltungsreihe „Politik macht Schule“ übernommen und unter anderem im Bundesministerium für Verteidigung angefragt, ob der hochrangige Politiker Zeit hätte, mit den Brühler Gymnasiasten zu sprechen. Es traf sich gut, dass Jung zur Feier des 40-jährigen Bestehens des Bundessprachenamtes in Hürth im Brühler Schloss Augustusburg erwartet wurde.
Gestern Morgen füllte sich die Aula an der Kaiserstraße mit 430 Gymnasiasten der Jahrgangsstufen 10 bis 12. Die Jugendlichen begrüßten Jung herzlich. Der wiederum nutzte seinen Auftritt, um für die Bundeswehr zu werben, vor allem um Vertrauen zu schaffen und nicht zuletzt seine sicherheitspolitischen Standpunkte darzulegen. Schulleiter Werner Otte sah die „Begegnung mit einem lebendigen Politiker“ auch als „Werbung für politisches Engagement“.
Der Minister, der wenige Monate vor Gründung der Bundesrepublik vor 60 Jahren geboren wurde, erläuterte, welchen Anteil Streitkräfte an der Sicherung von sechs Jahrzehnten in Frieden, Freiheit und einem Rechtsstaat sowie nicht zuletzt an der Überwindung der deutschen Teilung hatten. Der Kalte Krieg habe zwar ein Ende, aber ewiger Friede sei nicht eingetreten, leitete Jung zu den aktuellen Bedrohungen durch Terrorismus und Krisenherden in der Welt über. Wiederholt sprach er vor allem in Verbindung mit dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr von der „Strategie der vernetzten Sicherheit“ und der Rolle der NATO. Angesichts von Herausforderungen wie neuerdings der Piraterie, die den deutschen Seehandel bedroht, sieht Jung eine große Schwierigkeit in der verfassungsrechtlichen Trennung der Aufgaben von Bundeswehr und Polizei. „Wenn die Fähigkeiten und die Mittel der Polizei nicht mehr ausreichen, muss es möglich sein, die Bundeswehr einzusetzen, und dafür müssen wir eine Verfassungsgrundlage bekommen“, so der Verteidigungsminister.

Schüler stellten zahlreiche Fragen

Die Schüler „bombardierten“ den Gast nach seinem Vortrag mit Fragen. So wollten sie wissen, ob es sich bei den Aktivitäten der Bundeswehr im Norden Afghanistans nicht doch um einen Kriegseinsatz handelt, warum der Bundeswehr-Etat höher ist als die Ausgaben für Bildung, was er von einer Europa-Armee hält oder warum nicht verhindert werden konnte, dass in der afghanischen Regierung Fundamentalisten sitzen.
Fragen gab es auch zur atomaren Aufrüstung Nordkoreas und der Gefahr eines Weltkrieges, resultierend aus dem Kaschmir-Konflikt. Schließlich interessierte noch, wie der Arbeitsalltag eines Verteidigungsministers abläuft. Kommende Woche reist Verteidigungsminister Jung ins Baltikum.

Kölnische Rundschau vom 06.06.2009



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