Kölner Stadtanzeiger vom 13. Juli 2003
"In jeder Klasse gab es Spitzel"
Autorin Freya Klier diskutierte mit Jugendlichen aus Hürth und Frechen.
Schüler erhielten lebendige Eindrücke über das Leben in der ehemaligen DDR.
VON BARBARA ESSER
Brühl/Frechen – Still ist es im Hörsaal des St. Ursula-Gymnasiums, als die Schriftstellerin Freya Klier von ihrem Leben in der ehemaligen DDR erzählt. Die Schüler des Geschichtskurses der 12. Jahrgangsstufe hängen der kleinen Frau auf dem Podium sprichwörtlich an den Lippen. Von Verhaftungen spricht sie, von Folter und Unterdrückung. Aus Anlass des 50. Jahrestages des 17. Juni 1953 hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung zu den Vorträgen im Brühler St.-Ursula-Gymnasiums und im Gymnasium Frechen eingeladen. Zahlreiche Schüler nahmen in beiden Schulen daran teil und hörten den lebendigen Erzählungen der Autorin zu. Drei Jahre alt war Klier, als ihr Vater 1953 verhaftet wurde und sie selbst in ein Kinderheim kam. Schon früh erfuhr die Tochter von "Staatsfeinden", was es heißt, in einer Diktatur aufzuwachsen und politisch auf der falschen Seite zu stehen. "Ich musste kleine Strafen auf mich nehmen, um wieder gutzumachen, was meine Eltern verbrochen hatten", erzählt Klier. Von diesen Erlebnissen geprägt, wollte sie unbedingt den Pionieren beitreten, als sie später in die Schule kam. "Ich wollte endlich dazugehören", gibt sie vor den Schülern zu. "Wann haben Sie gemerkt, dass es gar nicht so toll war, dazuzugehören?" will eine Lehrerin wissen. "Als ich 14 war, merkte ich, dass zum Beispiel die besten Noten die Schüler bekamen, deren Familien politisch auf Linie waren. Das fand ich nicht korrekt", erinnert sich Klier. "Waren Sie in der Schule allein mit Ihrer Meinung?" will eine Schülerin wissen. Klier: "In meiner Schule waren einige anti. Aber es gab in jeder Klasse zwei Spitzel. In deren Gegenwart sagte man besser nicht seine Meinung." Wie wurde die westliche Politik in den Medien dargestellt?", fragt ein anderer. Konrad Adenauer wurde quasi gleichgesetzt mit Adolf Hitler. "Ich war bereits 20, als ich erfuhr, dass Adenauer gar kein Nazi war. Stalin hingegen war die Güte selbst. Er wurde stets Väterchen Stalin genannt", erzählt die Autorin. 1988 wurde Klier nach der Gründung einer Friedensbewegung ausgebürgert. Was sie dabei empfunden habe, interessiert einen Schüler. "Mein Mann und ich waren zunächst verstört. Wir wollten gar nicht weg", berichtet Klier. "Aber dann ist mir im Westen gleich aufgefallen, dass die Menschen freundlicher und freier waren. Aber sie waren auch oberflächlicher. Die Frage "Wie geht es dir?" war nur eine Floskel." "Das war wirklich spannend", sagte der 19-jährige Dominik Graf im Anschluss an die Diskussion. "Ich habe Lust bekommen, mich mehr mit der Geschichte der DDR zu beschäftigen."
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