Kölnische Rundschau vom 17.06.2005



Leben in einer anderen Welt



von Margret Klose


24 Schüler aus einem Indianerreservat in New Mexiko weilten im Rahmen des Schüleraustauschs mit dem Brühler St.-Ursula-Gymnasium für einige Tage im Rheinland.


BRÜHL. Den Besuch bei Metzgermeister Achim Reske wird Scott sein Leben nicht mehr vergessen. Völlig fasziniert sah der 17-Jährige den Fleischergesellen dabei zu, wie sie den Wildschweinen und Rehen das Fell über die Ohren zogen. „In meiner Heimat sind die Hirsche aber viel größer als hier“, stellte er klar. Daheim darf Scott sogar selber auf die Jagd gehen. Auch Jaken (16) hat das Jagen gelernt. Schon als Vierjähriger zog er mit Pfeil und Bogen an der Seite seines Vaters durch die Wildnis. Fünf bis sechs Hirsche habe er in seinem Leben schon erlegt, sagte er stolz. Allerdings, Metzgereien so wie hier, gäbe es bei ihnen zuhause nicht. Da würde das erlegte Wild im Wohnzimmer aufgehangen und um das Böse abzuwehren mit Mais und Türkissplittern betreut.

Jaken und Scott sind zwei von insgesamt 24 Indianern, die der Einladung des St.-Ursula-Gymnasium gefolgt waren. In Roisdorf hatte Feuerwehrmann Hans-Wilhelm Klemmer einen Besuch in der Metzgerei Reske sowie im landwirtschaftlichen Betrieb von Claus Ritter organisiert. „Hier ist alles so herrlich grün“, lobten die Zuni- und Laguna-Indianer das Vorgebirge. Sogar dem Regen konnten sie nur Schönes abgewinnen. „Regen, ist doch immer gut“, sagten sie. In ihrer Heimat regne es kaum. Da würden sogar noch traditionelle Regentänze stattfinden.

Erdbeeren allerdings würden trotzdem keine wachsen. Und wahrscheinlich war deswegen ihr Staunen so groß, als Roisdorfs „Erdbeerbaron“ Claus Ritter sie mit in seine Plantage nahm. Als sie dort die saftigen roten Beeren direkt vom Busch essen durften, war ihre Begeisterung kaum mehr zu bremsen. „Sehr, sehr lecker“, lobten sie in fast akzentfreiem Deutsch. Ansonsten übersetzte ihre mitgereiste Deutsch- und Geschichtslehrerin Melissa Roop.

In der Heimat der Zuni und Laguna gedeihen nur Bohnen und Mais. Ihre Heimat, das sind die Indianerreservate in New Mexico. Diese liegen in gut 2000 Metern Höhe zwischen Santa Fee und dem Grand Canyon in den Ausläufern der Rocky Mountains. Ihr Leben dort ist mit dem in Deutschland kaum zu vergleichen. Die wenigsten von ihnen konnten etwa vor ihrem Besuch in Deutschland mit Messer und Gabel essen. „Aber sie lernen schnell und sind an allem sehr interessiert“, erzählte Hans Grugel, Oberstudienrat am St. Ursula-Gymnasium.

Als Altbundeskanzler Helmut Kohl und der damalige US-Präsident Ronald Reagan 1986 verkündeten, den deutsch-amerikanischen Schüleraustausch zu fördern, rief Grugel den Schüleraustausch mit den Indianern ins Leben. Zum zehnten und wahrscheinlich zum letzten Mal waren nun die indianischen Freunde in Brühl. Grugel geht bald in Pension und ein Nachfolger, der das Austauschprogramm fortsetzt, ist bisher nicht gefunden. „Es war für mich eine Lebensaufgabe“, sagte der 63-Jährige. Die Völkerverständigung und die Freude, die er daraus gewonnen habe, seien einfach toll. Privat will er den Kontakt zu den Indianern auch als Ruheständler halten.



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