Brühl - Es dämmerte bereits, als eine kleine Gruppe die Treppen der Kapelle am St. Ursula-Gymnasium hinunter stieg. Schweigend gingen die Jugendlichen, einige Lehrer und Pfarrer Berthold Wolff über den Hof. Sie folgten einem großen Holzkreuz, das einer der Schüler hoch hielt, dann stellten sie sich in einem Kreis auf. "Hass, der kein Ende nimmt. Völker, die sich entzwei'n . . ." Zu Gitarrenklängen sang die kleine Menge andächtig ein Kirchenlied. Es waren rund 30 Menschen, die am Freitagabend den "Kreuzweg der Jugend" mitgingen, der dieses Jahr unter dem Titel steht "Es geschieht heute". Der Weg führte vom Gymnasium über sieben Stationen durch die Stadt in die Schlosskirche. Bei jedem Halt wurde ein Bild gezeigt, das jeweils eine Station des Leidensweges Jesu darstellt. Anhand dieser Kunstdrucke wurde der Gruppe die Leidenserfahrungen der Menschen in der heutigen Zeit, wie Gewalt, Rechtsextremismus, Unrecht und Erniedrigung, vor Augen geführt. Die Original-Bilder stammen vom Düsseldorfer Künstler Günter Fischermann. An der Auseinandersetzung mit diesen Themen beteiligten sich auch die Schüler aktiv. Beispielsweise spielten zwei junge Frauen der Jahrgangsstufe 13 an der ersten Station auf dem Schulhof einen kurzen Dialog, wobei sich eine von ihnen eine Maske vor das Gesicht hielt: "Ich muss heute abend so einen Anti-Kriegsfilm sehen", seufzte die eine. "Kosovo - das ist doch so weit weg." Masken verbrannt Ihr Gegenüber erwiderte: "Und was ist mit Solingen und Mölln? Ist das auch so weit weg?" Nach ihrem Gespräch warfen die beiden gemeinsam die Maske in ein kleines Feuer. Pfarrer Wolff begann ein Gebet: "Gott. Wir tragen alle Masken, damit wir die Wirklichkeit nicht sehen. Wir wollen unsere Masken ablegen. Hilf uns dabei." Danach ging es weiter zum jüdischen Friedhof, wo jeder einen Stein in Gedenken an die Judenverfolgung auf einen Grabstein legten. Auch an der alten Synagoge hielt die Gruppe inne, denn dort spielte ein Schüler mit seiner Klarinette ein jüdisches Lied. "Mit dem Gang wollen wir ein Signal setzten gegen die Gewalt und die Gleichgültigkeit unserer Zeit", erzählte Pfarrer Wolff. "Und wir möchten damit, bei aller Leid-Erfahrung in der Welt, Zeichen der Hoffnung verkünden." Der ökumenische Kreuzweg der Jugend ist seit 1958 eine Tradition in Ost und West. Eine Gebetsbrücke über Grenze und Mauer hinweg sollte der Kreuzweg auch nach dem Mauerfall bleiben. Seit 1972 wird jedes Jahr eine neue Fassung dieses Kreuzweges erarbeitet, in der versucht wird, die Fragen der Zeit in eine Gebetsform zu kleiden, die auch Jugendliche anspricht. Wie in Brühl brechen auch in anderen Gemeinden des Erftkreises in diesen Wochen Jugendliche zum ökumenischen Kreuzweg auf. Die evangelischen und katholischen Gemeinden in Wesseling etwa laden für Freitag, 30. März, dazu ein. Treffpunkt ist um 18 Uhr an der St. Josef-Kirche in der Hubertusstraße. zurück |