von Ariane HELLER
BRÜHL. Heute ist Philipp Freiherr von Boeselager 88 Jahre alt. Älter als
die Großeltern der meisten Abiturienten, die am Mittwoch nach Schulschluss
gebannt seinen Berichten aus der Zeit des Widerstands gegen Hitler lauschten.
Doch nicht nur die Planung von Attentaten auf Hitler stand im Fokus seines
Berichtes, auch die Umstände, die zur Machtübernahme der Nazis führten,
beleuchtete von Boeselager im Hörsaal des St.-Ursula-Gymnasiums.
Dass Hitler zunächst im Ausland ein hohes Ansehen genoss, ließ von Boeselager
dabei nicht unerwähnt. „Politiker begrüßten seine Wahl, weil er sich dem
Kommunismus entgegenstellte.“ Doch bereits im Jahr 1934 machte der damals
16-jährige nach einem unerlaubten Ausflug aus dem Jesuiten-Internat die
erste unangenehme Bekanntschaft mit der SS, die ihn zur Strafe in eine
Garage sperrte.
Jahre nach dem Reichtagsbrand sprach Philipp von Boeselager mit dem Berliner
Feuerwerksmeister, der den Brand untersucht hatte. „Er berichtete mir, dass
rund 40 Ballen Stroh im Gang gelegen hatten. Das war Göring mit seinen Helfern
selbst gewesen“, so von Boeselager. Jedoch: „Viele konnten sich nicht
vorstellen, dass ihre Staatsführung aus Mördern und Verbrechern bestand",
berichtete er den Abiturienten.
Als Chef einer Reiterschwadron war von Boeselager zur Zeit des Reichstagsbrandes
vor Moskau schwer verwundet worden. Im hinteren Heeresbereich arbeitete er für
Feldmarschall Kluge und Oberst Henning von Tresckow. Mit ihnen arbeitete er
bald im Widerstand. Sie wollten Hitler und Himmler bei einem Besuch töten.
Alles war minutiös geplant, da sagte Himmler seinen Besuch in letzter Sekunde
ab, und der Anschlag blieb aus.
Auch das zweite Attentat mit einer Bombe, für die von Boeselager englischen
Sprengstoff und Zünder organisierte, die über Herward von Bittenfeld an
Stauffenberg gelangten, am 20. Juli schlug fehl.Die Verzweiflung und Angst,
aber auch die Entschiedenheit und der Mut des Widerstandskämpfers bewegte
die Brühler Schüler.
Auf die Frage eines Abiturienten: „Hatten Sie denn keine Angst, dass jemand
aus dem Widerstand sie verraten könnte?“ antwortete von Boeselager ernst:
„Sicher hatten wir Angst. Ich hatte eine Zyankalie-Kapsel hier in meiner
Brusttasche für den Fall, dass man mich entdeckt hätte.“ Schließlich rief
von Boeselager die Schüler auf, wählen zu gehen und sich demokratisch dafür
einzusetzen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.
Kölnische Rundschau – Erftkreis vom 19.01.2006
|