Kölnische Rundschau vom 19.01.2006



Ein Zeitzeuge des Widerstandes



von Ariane HELLER


BRÜHL. Heute ist Philipp Freiherr von Boeselager 88 Jahre alt. Älter als die Großeltern der meisten Abiturienten, die am Mittwoch nach Schulschluss gebannt seinen Berichten aus der Zeit des Widerstands gegen Hitler lauschten. Doch nicht nur die Planung von Attentaten auf Hitler stand im Fokus seines Berichtes, auch die Umstände, die zur Machtübernahme der Nazis führten, beleuchtete von Boeselager im Hörsaal des St.-Ursula-Gymnasiums.

Dass Hitler zunächst im Ausland ein hohes Ansehen genoss, ließ von Boeselager dabei nicht unerwähnt. „Politiker begrüßten seine Wahl, weil er sich dem Kommunismus entgegenstellte.“ Doch bereits im Jahr 1934 machte der damals 16-jährige nach einem unerlaubten Ausflug aus dem Jesuiten-Internat die erste unangenehme Bekanntschaft mit der SS, die ihn zur Strafe in eine Garage sperrte.

Jahre nach dem Reichtagsbrand sprach Philipp von Boeselager mit dem Berliner Feuerwerksmeister, der den Brand untersucht hatte. „Er berichtete mir, dass rund 40 Ballen Stroh im Gang gelegen hatten. Das war Göring mit seinen Helfern selbst gewesen“, so von Boeselager. Jedoch: „Viele konnten sich nicht vorstellen, dass ihre Staatsführung aus Mördern und Verbrechern bestand", berichtete er den Abiturienten.

Als Chef einer Reiterschwadron war von Boeselager zur Zeit des Reichstagsbrandes vor Moskau schwer verwundet worden. Im hinteren Heeresbereich arbeitete er für Feldmarschall Kluge und Oberst Henning von Tresckow. Mit ihnen arbeitete er bald im Widerstand. Sie wollten Hitler und Himmler bei einem Besuch töten. Alles war minutiös geplant, da sagte Himmler seinen Besuch in letzter Sekunde ab, und der Anschlag blieb aus.

Auch das zweite Attentat mit einer Bombe, für die von Boeselager englischen Sprengstoff und Zünder organisierte, die über Herward von Bittenfeld an Stauffenberg gelangten, am 20. Juli schlug fehl.Die Verzweiflung und Angst, aber auch die Entschiedenheit und der Mut des Widerstandskämpfers bewegte die Brühler Schüler.

Auf die Frage eines Abiturienten: „Hatten Sie denn keine Angst, dass jemand aus dem Widerstand sie verraten könnte?“ antwortete von Boeselager ernst: „Sicher hatten wir Angst. Ich hatte eine Zyankalie-Kapsel hier in meiner Brusttasche für den Fall, dass man mich entdeckt hätte.“ Schließlich rief von Boeselager die Schüler auf, wählen zu gehen und sich demokratisch dafür einzusetzen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.


Kölnische Rundschau – Erftkreis vom 19.01.2006



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