KINDER-FH Hoch begabte Schüler erhalten bei einem Projekt an der
Fachhochschule Rheinbach Einblicke in die Angewandten Naturwissenschaften -
und lösen gleich ihren ersten Fall als Detektive
Von Telis Koukoullis
RHEINBACH. Am Ende waren sich die 64 jungen Detektive einig: „Es war der
Dekan, der den Lap¬top mit den wichtigen Forschungsergebnissen gestohlen
hat." Also: Der Dekan der Fach¬hochschule (FH) Bonn-Rhein-Sieg in Rheinbach,
Physikprofessor Ulrich Eßmann. Natürlich war Eßmann kein Dieb. Er hatte
sich mit mehreren Kollegen bereit erklärt, die Rolle der Verdächtigen
beim Detektiv-Spiel der „Kinder-FH" am Wochenende zu übernehmen.
Fachhochschule und Hochbegabten-Stiftung der Kreissparkasse Köln hatten
zu dieser ersten Fördermaßnahme für hoch begabte Fünft- und Sechstklässler
von 17 Gymnasien und Gesamtschulen aus dem Rhein-Sieg-Kreis, aus Brühl und
Erftstadt eingeladen, Professoren des Fachbereichs Angewandte
Naturwissenschaften entwickelten dafür ein Programm, bei dem die Mädchen
und Jungen spielerisch einen Kriminalfall lösten und gleichzeitig in
kleinen Gruppen Arbeitsweisen aus den Fachbereichen Forensik, Biologie,
Chemie, Physik und Materialwissenschaften kennen lernten.
Verkleidet als Meisterdetektiv Sherlock Holmes, mit Kappe, Pfeife und
Trenchcoat, führte Professor Peter Kaul die Kinder in das interdisziplinäre
Projekt „Aufklärung eines Diebstahls" ein. Ein Video zeigte die
Ermittlungen am Tatort, dem Büro, aus dem der Laptop gestohlen worden war.
Die Kinder erfuhren, dass der Täter Spuren hinterlassen hatte, die es nun
mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen galt. Gleichzeitig wurde der
Kreis der Verdächtigen auf vier Professoren der FH eingegrenzt.
Die Kinder erhielten Durchsuchungsbefehle für die Büros der Verdächtigen
und andere Orte. Sie untersuchten in kleinen Gruppen Haare der mutmaßlichen
Täter für eine DNA-Analyse, nahmen Speichelproben, überprüften ein weißes
Pulver - in Wahrheit Aspirin - auf seine chemische Zusammensetzung und
konfiszierten Kugelschreiber, um ihre Tinte mit dem chemisch-analytischen
Verfahren der lim ihrP Tinte mit „Dünnschichtchromatografie" zu untersuchen
und den Dieb zu identifizieren. Auch Finger- und Fußabdrücke nahmen sie
genau in Augenschein und verglichen sie mit Hilfe von Gipsabdrücken.
Als die Fahndungs- und Ermittlungsergebnisse der Arbeitsgruppen gestern
zum Abschluss Eltern und Gästen präsentiert wurden, war der Fall gelöst
und der Dekan des Diebstahls überführt. Sherlock Holmes blieb nur noch,
ihn zu verhaften.
„Solche Projekte sollen helfen, die Kinder für Naturwissenschaften zu
begeistern, weil es an den Hochschulen in den nächsten Jahren einen großen
Bedarf an neuen Naturwissenschaftlern geben wird", sagte Kaul. Die FH
Rheinbach entwickele gerade einen neuen Studiengang für
Naturwissenschaftliche Forensik. „Wir wollen deshalb so früh wie möglich
den Nachwuchs fördern, damit er dran bleibt. Indem wir versuchen, Kindern
Fachbereiche wie Forensik näher zu bringen, möchten wir aber auch
vermitteln, dass die Lösung eines Kriminalfalles nicht so einfach ist,
wie sie manche Fernsehserien darstellen. "In der Realität müssten
spezialisierte Kriminalbeamte eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung
und gute forensische Kenntnisse mitbringen, um Erfolg zu haben, so Kaul.
Überaus begeistert zeigte sich Claudia Valder-Knechtges, Projektleiterin
der Hochbegabten-Stiftung der Kreissparkasse Köln, von der Kinder-FH: „Ich
bin mir sicher, dass die Kinder Spaß an dieser Art des Lernens haben, denn
wenn sie sich nicht für Naturwissenschaften interessieren würden, hätten
sie sich nicht für das Projekt angemeldet."
Valder-Knechtges betreut die Akademien für hoch begabte Kinder und
Jugendliche seit zehn Jahren. Jedes Jahr finden an Schulen der Region
sieben bis acht Lehrveranstaltungen für verschiedene Altersgruppen zu
unterschiedlichen Themen statt, bei denen häufig Hochschul-Professoren als
Dozenten mitwirken. Dafür stellt die Sparkassen-Stiftung jährlich
120 000 Euro zur Verfügung.
„Die Nachfrage bei Kindern und Eltern war wieder so groß, dass wir
einigen Schülern leider absagen mussten. Unsere Akademien sind für die
jungen Leute oft ein richtiges Aha-Erlebnis, weil sie dort mit Ihresgleichen
lernen können, während sie im alltäglichen Schulunterricht oft unterfordert
sind und sich langweilen", sagte die Projektleiterin. Häufig könnten die
Kinder auch nicht richtig einordnen, warum sie sich in der Schule
langweilen. „Dann hilft ihnen eine solche Veranstaltung, sich über ihre
besondere Begabung bewusst zu werden.“
KURZ GEFRAGT
Die elfjährige Linda von Faber aus Bornheim ist eines der 64 Kinder, die
am Wochenende an der Kinder-FH in Rheinbach teilnahmen. Die hoch Begabte
besucht das Brühler Sankt-Ursula-Gymnasium. Sie konnte lesen, bevor sie fünf
Jahre alt war und in die Wendelinus-Grundschule in Bornheim-Sechtem
eingeschult wurde. Mit ihr sprach Telis Koukoullis.
GA: Wie bist Du auf die Idee gekommen, bei der Kinder-FH mitzumachen?
LINDA: Meine Bio-Lehrerin hat mich gefragt, ob ich Interesse habe und da
hab ich mich sofort angemeldet.
GA: Wann hat man gemerkt, dass Du hoch begabt bist?
LINDA: Ich konnte schon lesen, bevor ich in die Schule kam und hatte
von Anfang an sehr gute Noten. Ende des 2. Schuljahres hat mir meine
Klassenlehrerin dann angeboten, eine Klasse zu überspringen, aber ich
bin lieber in der Klasse geblieben, in der ich war.
GA: Bist Du anders als andere Kinder?
LINDA: Ich habe vielleicht etwas bessere Noten, aber ich glaube, sonst bin
ich ein ganz normales Mädchen.
GA: Macht Dir das Lernen in der Schule Spaß?
LINDA: Es fällt mir sehr leicht, und manchmal langweilt es mich auch,
aber richtig Spaß macht es nicht unbedingt.
GA: Und bei der Kinder-FH macht das Lernen mehr Spaß?
LINDA: Das hier macht mir richtig Spaß, aber es ist überhaupt nicht wie
Lernen, sondern eher eine schöne Freizeitaktivität. Und nebenher erfahre
ich etwas über Biologie und andere Naturwissenschaften.
GA: Hast Du Hobbys?
LINDA: Ich spiele seit zwei Jahren Querflöte und habe auch schon bei
„Jugend musiziert" mitgemacht. Außerdem spiele ich seit einem Jahr Klavier.
Sport mache ich im Moment nicht, weil ich noch nicht das Richtige
gefunden habe. Ich suche einen Sport, der mir in der Gruppe Spaß macht
und habe es schon mit Klettern, Reiten, Fußball und Trampolin-Springen
im Verein probiert.
GA: Bist Du ehrgeizig?
LINDA: Ich möchte schon auf jeden Fall einen guten Schulabschluss machen,
aber zu ernst sehe ich das Ganze auch nicht.
GA: Weißt Du schon, was Du mal werden möchtest?
LINDA: Ich möchte studieren und Ingenieurin werden. Am meisten würde mich
dabei ein Bereich mit Maschinen interessieren.
Bonner General-Anzeiger vom 26.2.2008
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