Verabschiedung der Abiturienten am 22. Juni 2002

Ansprache von OStD i.K. Werner Otte




Liebe Abiturientinnen und Abiturienten!

Wenn ich gleich bei der Zeugnisausgabe jedem von Ihnen persönlich zum schulischen Erfolg gratuliere, ist Ihre Schulzeit am Erzbischöflichen St. Ursula-Gymnasium unwiderruflich zu Ende. Für mich also die letzte Gelegenheit, Ihnen noch ein paar Gedanken mit auf den Weg zu geben.

In der Wochenzeitung "DIE ZEIT" war vor dem Beginn der Fußballweltmeisterschaft zu lesen(1): "Nie ist eine deutsche Mannschaft mit geringeren Hoffnungen zum wichtigsten Turnier der Welt aufgebrochen. Wie im richtigen Leben [...] ist Deutschland auch im Fußball von der Weltspitze weit entfernt. [...] Zu lange hat man beim DFB und in den Vereinen an alten Strukturen festgehalten."

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
zwar ist unsere Mannschaft überraschend erfolgreich, doch drängen sich trotzdem die Parallelen zur aktuellen Situation des deutschen Schulwesens geradezu auf.

Als ich mich vor 17 Jahren den Eltern als neuer Schulleiter vorstellte, habe ich unter anderem erklärt, dass ein Gymnasium von seinen Schülern durchaus Leistung fordern müsse, wenn es sie angemessen fördern wolle, auch im Interesse der Gesellschaft; denn wenn ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland international konkurrenzfähig bleiben wolle, sei es auf einen hohen Ausbildungsstand seiner Menschen angewiesen.

Dieses "Bekenntnis zur Leistungsschule" wurde in der 1. Sitzung der Schulpflegschaft von den Elternvertretern aufgegriffen und kulminierte in der Frage: "Was haben unsere Kinder davon, wenn sie zwar besser ausgebildet sind und mehr können als andere an anderen Schulen(2), aber wegen des schlechteren Notendurchschnitts den begehrten Studien- oder Ausbildungsplatz nicht bekommen?"

Diese Frage war damals berechtigt und ist es heute immer noch (3), wenn auch nicht mehr ganz so drängend (4), und sie zeigt, dass sich in den letzten 20 Jahren schulpolitisch nichts zum Besseren getan hat und dass die erschreckenden Ergebnisse der TIMSS- und der PISA-Studie nur verblendete Ideologen, bewusst Ahnungslose und naive Blauäugige überraschen können - offensichtlich aber auch die Kultusministerkonferenz.

Zwischen 1985 und 1990 stellte sich uns nämlich immer die Frage: wie viele Schüler werden nach der Klasse 10 zu einem anderen Gymnasium wechseln, wo sie nach ihrer persönlichen Einschätzung das Abitur mit weniger Aufwand und mit besseren Noten bekommen?

Heute ist dieser Trend gebrochen, ja es werden sogar Schüler ausdrücklich bei uns angemeldet, weil sie an der bisherigen Schule zu wenig lernen bzw. als Lernwillige bei den Mitschülern unbeliebt sind (5), und es scheint sich nur für Realschüler weiterhin die Frage zu stellen, ob sie es "wagen" können, in die Oberstufe unseres Gymnasiums einzutreten(6); doch weiß ich von Erzbischöflichen Gymnasien in Köln, dass auch heute noch viele Schüler nach der Klasse 10 zu anderen Gymnasien wechseln, um die gute Ausbildung in der Privatschule nun an einem öffentlichen Gymnasium in bessere Noten umzusetzen.

Ob solches – menschlich durchaus verständliches, jahrelang praktiziertes und von der Politik geduldetes - Taktieren von Schülern zur Qualität der Ausbildung und zur optimalen Vorbereitung auf ein Studium beiträgt, ist wohl eher zu bezweifeln.

Und kann man sich wirklich über gravierende Mängel in den Bereichen "muttersprachliche und mathematische Kompetenz" wundern, wenn deutsche Gymnasiasten über lange Jahre Deutsch oder Mathematik am Ende der Jahrgangsstufe 12 abwählen konnten? Sollten Schüler die Botschaft wirklich nicht verstanden haben, dass Deutsch und Mathematik offensichtlich nicht so wichtig sind, und sollte sich das Wissen darum nicht bis in die Mittel- oder gar Unterstufe herumgesprochen und zu entsprechendem Verhalten geführt haben? Deshalb kann es eigentlich niemanden überraschen, dass der Rektor der Fachhochschule Dortmund sich fragt, ob man den zukünftigen Brückenbauern noch trauen kann - wegen ihrer schwachen Mathematikkenntnisse! (7)

Schon vor 20 Jahren – ich war damals Jahrgangsstufenleiter an einem öffentlichen Gymnasium - hat eine Schülerin der Jahrgangsstufe 12 zu mir gesagt: "Eins verstehe ich nicht, Herr Otte: warum kann man Mathematik nach 12/II abwählen, Sport aber erst nach 13/I?"

Diese Möglichkeiten der Abwahl sind zwar seit kurzem aufgehoben, weil die Folgen nicht mehr zu übersehen waren; doch kann man mit der Endnote "mangelhaft-minus" in Mathematik oder Deutsch oder in der einzigen Fremdsprache noch immer die Allgemeine Hochschulreife erwerben!

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
ich bin absolut davon überzeugt, dass die deutschen Schüler und auch die Universitäten im internationalen Vergleich heute ganz anders da stünden, wenn schon vor 20 Jahren Studienplätze nicht rein formal nach dem Notenschnitt vergeben worden wären, sondern wenn über Aufnahmeprüfungen an den Hochschulen die Fähigkeiten von Studienbewerbern überprüft worden wären.

Schon vor 20 Jahren hätte sich so ein fruchtbarer Qualitätswettbewerb unter den Schulen entwickeln können, der jedoch damals aus ideologischen Gründen(8) von denselben Gruppierungen verhindert worden ist, die heute die Begabtenförderung propagieren(9) und damit eigentlich öffentlich zugeben, dass ihre Schulpolitik der letzten 20-30 Jahre gescheitert ist.

Ist Besserung zu erwarten, liebe Abiturientinnen und Abiturienten? Wenn ich meine Erfahrungen aus nunmehr 30 Jahren aktiven Schuldienstes, aus 17 Jahren Schulleitung und 15 Jahren Vorstandsarbeit in der Rheinischen Direktorenvereinigung als Maßstab nehme(10) und dazu die ersten Reaktionen der Bildungspolitiker auf die PISA-Studie, ist zu Optimismus wenig Anlass.

Wenn nämlich ein Wirtschaftsunternehmen eine so vernichtende Bilanz vorlegen müsste, wie sie die PISA-Studie der Bildungspolitik bescheinigt, würden die verantwortlichen Manager sofort entlassen. Doch im Bereich der Politik dürfen die Verantwortlichen einfach weitermachen, von ihrem eigenen Versagen ablenken(11) und sogar den schwarzen Peter nach unten weitergeben - an Eltern und Lehrer.(12) Ich habe daher die Sorge, dass sich praktisch nicht viel tun wird.

Ich habe kein großes Vertrauen in eine Landesregierung, die bereits 1998 die "Qualitätssicherung" propagiert hat, dann aber schon wenige Wochen später für die Klassen 5 eine Kürzung des Unterrichts angeordnet hat und die schon vorher unter dem Stichwort "Effizienzsteigerung" die Lehrerstellen radikal gekürzt, die Lerngruppen vergrößert und das Unterrichtsangebot so sehr verkleinert hat(13), dass Schüler in Nordrhein-Westfalen von der ersten bis zur neunten Klasse planmäßig über 1.000 Stunden weniger Unterricht haben als Schüler in Bayern. Das entspricht einem ganzen Schuljahr!(14)

Ich habe kein großes Vertrauen in eine Landesregierung, der es noch nicht einmal gelingt, ein Schuljahr in zwei gleiche Halbjahre zu teilen(15) , die erst 3 Jahre nach der Einführung der neuen Sommerferien-Regelung die Auswirkungen im Schulalltag bemerkt und dann den Eltern über die Landeselternschaft nur knapp 4 Wochen Zeit gibt, Empfehlungen für Dauer und Lage der anderen Ferien zu geben, die allerdings erst ab 2005 greifen können.(16)

Nein, ich bin eher besorgt, dass die Verhältnisse noch schwieriger werden. Erstens wird der Lehrermangel aus verschiedenen Gründen zunehmen (17), zweitens wird die Qualität der Lehrerausbildung noch weiter abnehmen, wenn es stimmt, dass für Gymnasiallehrer nur noch ein Fachstudium von 6 (!) Semestern vorgesehen ist. Dabei gibt es schon jetzt Referendare, die den Stoff der Klasse 10 selbst nicht beherrschen, wie mir andere Schulleiter glaubhaft versichert haben.

Bundespräsident Roman Herzog hatte recht, wenn er 1997 in seiner Rede auf dem Berliner Bildungsforum forderte, "Tabus zu knacken, Irrwege abzubrechen und falsche Mythen zu beseitigen" und zum Schlachten heiliger Kühe in der Bildungspolitik aufgerufen hat. Doch wo sind die Metzger?

Ich sehe sie nicht, auf jeden Fall nicht in der Mehrheitsfraktion im Düsseldorfer Landtag; denn dort hat die SPD-Fraktion unter Beibehaltung "falscher Mythen" einen Antrag vorbereitet, in dem die Landesregierung u.a. dazu aufgefordert werden soll, "eine Konzeption vorzulegen, wie die hohe Zahl der Nichtversetzungen und ebenso die hohe Zahl von Abstufungen in eine andere Schulform deutlich verringert werden können, ohne dabei das Leistungsniveau abzusenken."(18) Zu den "falschen Mythen" rechne ich auch die Verheißung von Besserung durch den "Ausbau zur flächendeckenden Ganztagsgrundschule"(19) und "durch gezielte Vorbereitung auf die Grundschule" im Kindergarten(20), der "mindestens (!) für alle Drei- bis Sechsjährigen" einen Platz garantieren muss(21) - oder noch besser: gleich nach der Geburt?

Ja, es treibt mir die Zornesröte ins Gesicht, wenn ich als 2. Grundsatz zur Aufhebung der vorhandenen Defizite lese: "Alle Bildungseinrichtungen verpflichten sich, Kinder und Jugendliche so anzunehmen, wie sie sind. Ihre oberste Aufgabe besteht darin, die Stärken der Kinder und Jugendlichen zu stärken und ihre Schwächen zu beheben."(22) Sind die verantwortlichen Landespolitiker wirklich so arrogant dumm, dass sie meinen, sie müssten alle Lehrerinnen und Lehrer zu einer solchen Selbstverpflichtung aufrufen? Ich hätte nie gedacht, dass das unselige Wort von Bundeskanzler Schröder "Lehrer sind faule Säcke" noch hätte getoppt werden können! Jetzt maßen sich schon Mitglieder einer Landtagsfraktion an die besseren Pädagogen zu sein! Wer mag da noch Lehrer werden? Dabei brauchen wir sie dringend!(23)

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
bei den Hinweisen auf die verfehlte Schulpolitik geht es mir nicht ums Jammern, vielmehr will ich Ihnen in einem vertrauten Bereich demonstrieren, dass uns die Probleme, vor denen wir heute stehen, nicht überraschen dürfen. Sie sind die logische Folge von falschen politischen Entscheidungen in der Vergangenheit. Durch richtige politische Entscheidungen hätte man den PISA-Schock vermeiden können.

Der beste Beweis, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, sind eigentlich Sie; denn Sie sind ein ausgesprochen guter Jahrgang, von dessen menschlichen Qualitäten und fachlichen Leistungen unser Kollegium sehr angetan war. In den Abiturprüfungen im 4. Fach z.B. gab es nicht weniger als 37-mal die Note "sehr gut" und diese Noten sind nicht etwa verschenkt worden, sondern entsprechen den gezeigten Leistungen! Nach einer Religionsprüfung z.B. meinte ein Kollege wörtlich: "Ich hätte noch eine halbe Stunde zuhören können".

Zuhören würden wir sicher gern auch weiterhin Sandra Schumacher und Ina Kemper, wenn sie meisterlich Oboe und Fagott spielen - ich sage bewusst "meisterlich"; denn in zwei Musikprüfungen habe ich gelernt, warum das Wort "virtuos" nicht unbedingt als Kompliment verstanden würde.

Zuhören würden wir sicher gern auch weiterhin Jan Fischenich an der Orgel und allen anderen aus Ihrem Jahrgang, die sich im Orchester, im Schulchor oder bei den Ursula-Singers engagiert haben und denen ich stellvertretend für alle herzlich danken möchte, die zur Buntheit und Vielfalt unseres Schullebens beigetragen haben - es sind wirklich sehr viele.

Aber auch solche positiven Erfahrungen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, sind nicht Zufall, sondern Folge davon, dass wir als kirchliche Privatschule mehr Gestaltungsspielräume haben als öffentliche Schulen.

Wir dürfen uns die Schüler selbst aussuchen und erreichen dadurch von Anfang an eine relativ große Homogenität der Lerngruppen, die es unnötig macht, ab Klasse 7 so genannte Fachprofilklassen einzurichten, also letztlich eine 2-Klassen-Gesellschaft zu etablieren.

Wir dürfen uns die Lehrer selbst aussuchen und achten dabei auf die mittelfristig notwendigen Fächerkombinationen. Dadurch konnten wir bisher weitestgehend fachspezifischen Lehrermangel und damit verbundenen Unterrichtsausfall vermeiden. Davon haben nicht zuletzt Sie, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, profitiert; profitiert auch davon, dass wir unsere Lehrer nicht nur nach der fachlichen Qualifikation auswählen, sondern auch nach der Bereitschaft zu pädagogischem Engagement über das Normalmaß hinaus. Und gerade in diesem Bereich leisten sehr viele von uns sehr viel – Tag für Tag.

Die bleibende Bereitschaft des Kollegiums zu diesem Engagement ist wieder kein Zufall, sondern hat sicher auch viel damit zu tun, dass wir in aller Regel nette und liebenswürdige Schülerinnen und Schüler haben, die sich motivieren lassen, dazu Eltern, die unsere Unterrichts- und Erziehungsarbeit insgesamt anerkennen und unterstützen – sichtbar in den verschiedenen Pflegschaften, in den Fachkonferenzen, in der Schulkonferenz und in diversen Ausschüssen, oft aber auch unsichtbar hinter den Kulissen, aber nicht weniger wichtig und wirkungsvoll wie z.B. im Förderverein - als Mitglieder im Vorstand oder Beirat oder als zahlende Mitglieder - nicht weniger wichtig und höchst wirkungsvoll, wie das Jubiläumsfest des Fördervereins eindrucksvoll demonstriert hat. Und deshalb bedanke ich mich auch bei Ihnen, liebe Eltern, für Ihre Unterstützung unserer Arbeit.

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten, Sie sehen, an unserem Gymnasium wird nicht gejammert, sondern gehandelt, um unseren Schülern trotz schlechter Rahmenbedingungen durch die Politik eine gute Ausbildung zu ermöglichen, und wir sehen an den Erfolgen früherer Jahrgänge und Sie sehen an Ihrer eigenen Schullaufbahn, dass man manches erreichen kann, ohne jede modische Aktion mitzumachen und oft genug gegen den Zeitgeist.

Dazu braucht man eigentlich nicht viel: nur etwas eigenständiges Denken und damit einen eigenen Standpunkt und etwas Mut zum Widerspruch. Und genau dazu möchte ich Sie heute noch einmal ermutigen; denn es geht im Bereich der Schule wie in vielen anderen Bereichen um die Frage, wie die Welt, in der Sie als Erwachsene leben werden, aussehen soll.

Einige von Ihnen, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, waren mit Frau Krüger und mir im Europa-Parlament in Straßburg und erinnern sich vielleicht daran, dass aus Ihrem Kreis die Frage an den Referenten kam: "Werden die nationalen Parlamente in Zukunft noch mehr Kompetenzen abgeben?"

Ich habe damals angeregt, die Frage anders zu stellen. Sie alle, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, sollten nicht fragen: was wird in Zukunft sein? Zukunft ist nämlich nicht etwas, was schicksalhaft auf uns zu kommt. Nein, sie müssen fragen: wie wollen wir die Zukunft? Und warum wollen wir die Zukunft so und nach Möglichkeit nicht anders? Und dann müssen Sie sich für die Umsetzung Ihrer Ziele einsetzen.

Der Philosoph Karl Popper formuliert es so: "Was die Zukunft betrifft, so sollen wir [...] nicht versuchen zu prophezeien, sondern nur versuchen, moralisch richtig und verantwortlich zu handeln." Und er fährt fort: "Das macht es uns aber zur Pflicht, daß wir lernen, die Gegenwart richtig zu sehen und nicht durch die farbige Brille einer Ideologie."(24)

Exemplarisch habe ich auf die ideologischen Gründe der heutigen Schulmisere hingewiesen, um zu zeigen: man hat in den 70er Jahren die Weichen falsch gestellt und man zahlt heute dafür – aber es zahlen nicht die Täter die Zeche, sondern die Opfer.

Und es wird weitere Opfer geben; denn nach meiner Überzeugung ticken in unserer Gesellschaft noch viele ideologische Zeitbomben. Sie alle aufzuzählen, würde zu weit führen, sie zu entdecken, ist recht einfach: man muss die Botschaften nur bewusst hören, sie durchdenken und Widersprüche aufdecken.

Wenn Familienministerin Bergman z.B. beklagt, dass nur 4 % der kleineren Kinder in öffentlichen Einrichtungen betreut werden, heißt das doch im Umkehrschluss, dass 96% noch in der Familie betreut werden. Und das muss wirklich anders und "besser" werden?

Wollen die Betroffenen das überhaupt? Eine Allensbach-Umfrage jedenfalls belegt, dass 80% der erwerbstätigen Mütter sich, wenn sie wählen könnten, für eine finanzielle Förderung entschieden und gegen mehr Angebote der institutionellen Fremdbetreuung.(25)

Woher nimmt Frau Bergmann die Sicherheit, dass eine Hortbetreuung besser sei als eine Betreuung durch die Mutter? Es gibt Psychologen, die das ganz anders sehen!(26)

Kann man wirklich davon ausgehen, dass alle Erzieherinnen und Betreuer so gut und so engagiert sind, dass die Kinder in den Einrichtungen optimal gefördert werden?(27) Hier sind die Erfahrungen in der ehemaligen DDR keineswegs nur positiv(28) und es gibt Untersuchungen, die die Arbeit in zahlreichen Kindergärten sehr kritisch sehen.(29)

Und wieso wird die Betreuung der eigenen Kinder – aus Liebe! – durch die Mutter gesellschaftlich fast geächtet und durch finanzielle Nachteile geradezu sanktioniert, dieselbe Tätigkeit aber – gegen Cash und mit Rentenanspruch! – von der Gesellschaft geachtet und durch die Berufsbezeichnung Erzieherin aufgewertet?(30)

Wollen wir den Menschen wirklich nur noch durch seine Berufstätigkeit definieren und die Würde des Menschen bzw. den Sinn des Lebens von seiner Gesundheit, von seiner Leistungsfähigkeit, von seinem volkswirtschaftlichen Wert als Produzent und Konsument und damit von seinem Wohlstand abhängig machen?(31) Wird das Leben so nicht arm und banal?

Schon 1973 hat die Mitherausgeberin der ZEIT, Gräfin Dönhoff, warnend formuliert: "Jeder Gott verlangt Opfer. Auch dem Gott Wohlstand wurde viel geopfert: geistige Werte, kreative Befriedigung, menschliche Wärme und Anteilnahme."(32)

Wie recht sie hatte, möchte ich Ihnen belegen:

Ist der §218 nicht geändert worden mit der unbewiesenen Behauptung, so sei das Leben besser zu schützen? Aber: ist es wirklich so gekommen? Und hat nicht das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber ausdrücklich den Auftrag erteilt, nach einer gewissen Zeit zu überprüfen, ob der Lebensschutz besser geworden ist, und wenn nicht, das Gesetz zu ändern? Aber: geschieht das? Selbst die CDU will da nicht ran, weil die Akzeptanz des Unrechts in der Gesellschaft und in den Parteien mittlerweile schon zu groß ist.

Ja, wir sind schon so weit, dass für die Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung im Bundestag nur knapp 60 Minuten gebraucht werden, dass für eine Eindämmung der unerträglichen Spätabtreibungen(33) bis unmittelbar vor der Geburt aber keine Mehrheiten zu finden sind.(34)

Unsere Gesellschaft sieht auch nicht, dass einerseits eine große Zahl von Zuwanderern notwendig ist, um den Bevölkerungsstand zur Wahrung der Sozialsysteme zu erhalten, dass aber gleichzeitig jährlich über 130.000 Kinder legal abgetrieben werden und dass dafür Mittel der Krankenkassen zur Verfügung stehen, während bei der Behandlung von Krankheiten längst das Sparen angesagt ist.

Gräfin Dönhoff hatte recht: menschliche Wärme und Anteilnahme gehen zunehmend verloren, obwohl immer mehr mit dem Begriff Mitleid operiert wird:

Die pränatale Diagnostik macht es möglich, Gesundheitsrisiken für ein Kind früh zu erkennen und die Eltern auf die Möglichkeit einer legalen Abtreibung hinzuweisen.(35) Aber es bedeutet konkret: Töten – aus Mitleid

Die Pränatale Implantationsdiagnostik könnte das Risiko von kranken Kindern noch weiter reduzieren – aber es bedeutet konkret: Töten - aus Mitleid.

Das therapeutische Klonen und das Forschen an embryonalen Stammzellen wird propagiert. Aber es bedeutet konkret: Töten – aus Mitleid.

Nach Holland hat nun Belgien die liberalste Euthanasie-Regelung. Aber es bedeutet konkret: Töten - aus Mitleid.

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
Sie sollten das Wort Mitleid in diesen Zusammenhängen methodisch immer sofort unter Ideologieverdacht stellen(36) und fragen, wer hat hier eigentlich Mitleid mit wem? Und was bedeutet das Wort Mitleid eigentlich?

Als These stelle ich zur Diskussion: in unserer Gesellschaft zeigt sich die Tendenz, dass die Gesunden und Starken die Kranken und Schwachen letztlich nur deshalb "verhindern" wollen, weil sie Mitleid mit sich selbst haben und nicht mehr mit den Kranken und Schwachen mit-leiden wollen. Das kostet zu viel Zeit, bringt keinen Spaß, sondern eher psychische Belastungen und nimmt so nach heutigem Zeitgeist-Verständnis ein gehöriges Stück Lebensqualität, wo doch das Leben so kurz ist. Kurzsichtig nenne ich das; denn trotz aller Anti-Aging-Bemühungen wird jeder von uns einmal alt und schwach und bedarf der Menschlichkeit, um nicht aus Einsamkeit und Verzweiflung die Todesspritze zu wünschen.(37)

Auch Kardinal Ratzinger hat schon Mitte der 70er Jahre darauf hingewiesen, dass der Verlust des Mitleids "ein Defizit in unserer Gesellschaft auf(zeigt), das wahrscheinlich schon sehr bald schwerer wiegen wird als das heute so viel beredete Bildungsdefizit [...]. Mit Geld kann man vieles kaufen, den Geist der Selbstlosigkeit und des Dienens aber nicht; man kann ihn vielleicht für einige Zeit von anderen Nationen ausleihen, aber wenn er auf die Dauer im Organismus eines Volkes fehlt, steht seine Leistung auf tönernen Füßen, und der Zusammenbruch ist auf längere Sicht unvermeidlich. Hier wird sichtbar, daß ein Volk von seiner Produktion allein nicht leben kann [...], sondern geistige und seelische Kräfte benötigt, um bestehen zu können. Daß die Kirche in allen Jahrhunderten die Kraft des Dienens erweckt hat und den Dienst mit Sinn zu füllen vermochte, wird heute belächelt oder sogar belacht. [...] Aber wahrscheinlich wird uns [...] das Lachen und das Lächeln gerade in dieser Hinsicht bald vergehen."(38)

Wem aus ideologischen Gründen ein Kardinal zu verdächtig erscheint, sei noch einmal auf Gräfin Dönhoff verwiesen, die im Jahr 2000 formuliert:

"Man kann nur hoffen, dass Europa irgendwann zu seiner ursprünglichen Rolle zurückfindet und wieder dafür sorgt, dass eine philosophische Dimension in die politische Diskussion und in die Vorstellungen, die unsere Welt prägen, Eingang findet. [...] Die ausschließliche Diesseitigkeit, die den Menschen von seinen metaphysischen Quellen abschneidet, der totale Positivismus, der sich nur mit der Oberfläche der Dinge beschäftigt und jede Tiefendimension vergessen lässt, kann als einzige Sinngebung auf die Dauer nicht befriedigen. [...] Typisch für unsere Gesellschaft ist der Freiheitsbegriff, der keine moralischen Grenzen kennt; typisch für unsere Gesellschaft ist das ungebremste Streben nach immer neuem Fortschritt, nach Befriedigung der ständig wachsenden Erwartungen: alles muss immer größer werden, von allem muss es immer mehr geben, mehr Freiheit, Wachstum, Profit ... Diese Entwicklung führt zwangsläufig zu Sinnentleerung, Frustration und Entfremdung."(39)

Auch der Philosoph Jürgen Habermas sieht einen "unwiderstehlichen Sog der Banalisierung" und beklagt, dass "unsere Gesellschaft bereit (ist), moralische Fragestellungen zu verlieren, den Sinn aufzugeben."(40)

Und selbst der Intendant des Berliner Ensembles, Claus Peymann, wahrlich kein konservativer Kirchenmann, konstatiert im Spiegel: "Wir leben im moralischen Niemandsland" und er bezeichnet - sehr drastisch - das Wertesystem als "total im Arsch."(41)

So müsste langsam auch dem Letzten aufgehen, dass durch die zunehmende Liberalisierung aller Lebensbereiche und den dadurch abnehmenden Einfluss der christlichen Religion unsere Gesellschaft keineswegs "besser" und "humaner" geworden ist. Vielmehr gilt offenbar immer noch, was Saint-Exupery einmal gnadenlos prägnant so formuliert hat:

"Wenn die Menschen gottlos werden: sind Regierungen ratlos, Lügen grenzenlos, Schulden zahllos, Besprechungen ergebnislos, Aufklärung hirnlos, Politiker charakterlos, Kirchen kraftlos, Völker friedlos, Sitten zügellos, Mode schamlos, Verbrechen maßlos, Konferenzen endlos, Aussichten trostlos."(42)

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,
die Aussichten sind dann nicht trostlos, wenn wir uns der Pflicht stellen, zu "lernen, die Gegenwart richtig zu sehen und nicht durch die farbige Brille einer Ideologie" und wenn wir für die Zukunft "versuchen, moralisch richtig und verantwortlich zu handeln."

Was moralisch richtig ist, kann aber nicht der normativen Kraft des Faktischen überlassen bleiben und ist auch nicht in Konsensgesprächen zu finden. Wir brauchen wieder eine "Verpflichtung auf Werte, die nicht in abänderbarem Recht, sondern im Naturrecht, ja in der Schöpfungsordnung selbst verankert ist. Dabei sind wir nicht die Nachhut der Vergangenheit, sondern Vorhut der Zukunft."(43)

Folgen Sie daher dem Appell von Ministerpräsident Stolpe an die Kirchen und ihre Gemeinden, "sich für einen neuen Wertekonsens in der Gesellschaft einzusetzen. Nach dem Schwinden der sozialistischen Utopie seien im internationalen Wettbewerb die moralischen und kulturellen Werte zurückgedrängt worden [...]. Darum sei es erforderlich, dass sich die Christen im Land durch politisches Engagement und durch Fürbitte für diese Werte einsetzten. [...] Ohne diese Werte drohe sozialstaatliches Engagement zu verkümmern."(44)

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten, Sie stammen aus christlichen Familien, Sie sind getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Sie sind gefirmt oder konfirmiert und haben sich im Religionsunterricht 9 Jahre mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt und darum gilt auch für Sie das Wort Jesu: "Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt!"

Darum gehen Sie hinaus in die Welt und engagieren Sie sich aus dem Glauben für eine menschliche Zukunft überall da, wo Sie stehen:

Wir brauchen Christen im Handwerk
Wir brauchen Christen in der Wirtschaft
Wir brauchen Christen in der Wissenschaft
Wir brauchen Christen in der Politik
Wir brauchen Christen in der Schule
Wir brauchen Christen in sozialen Berufen
Wir brauchen Christen in geistlichen Berufen
Wir brauchen Christen im Alltag
– um der Menschen willen
– um der Menschen willen
– um der Menschen willen
– um der Menschen willen(45)
– um der Menschen willen
– um der Menschen willen
– um der Menschen willen
– um der Menschen willen

Sagen Sie nicht: was können wir denn schon bewirken? wir sind doch noch so jung! Erstens haben Sie an unserem Gymnasium schon mehrfach erleben können, dass man mit Engagement und Hartnäckigkeit viel erreichen kann, und zweitens traue ich Ihnen in Kenntnis Ihrer Fähigkeiten eine ganze Menge zu.

Daher sage ich Ihnen zum Schluss: Trauen auch Sie sich etwas zu – nicht zuletzt im Vertrauen darauf, dass Gott Ihren Weg begleitet.

Was wir im Gottesdienst gemeinsam gesungen haben, mache Sie optimistisch für Ihren Aufbruch in die Zukunft:

"Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag."




(1) DIE ZEIT, Ausgabe 23/2002 "Der Ball ist wund - Ein Team wie das Land: Warum wir nicht mehr Weltspitze sind"
(2) Dazu ein praktisches Beispiel: Auf dem Abiturzeugnis müssen neuerdings alle Fremdsprachen, die ein Schüler gelernt hat, auf der letzten Seite aufgeführt werden. Auf dem offiziellen Formular sind dafür 3 Spalten vorgesehen. Man geht also offenbar davon aus, dass Schüler in NRW maximal 3 Fremdsprachen lernen. Uns jedoch stellt sich das Problem, dass 27 Abiturienten 4 Sprachen gelernt haben und dass für die 4. Sprache kein Platz vorgesehen ist. Sie muss also in der Rubrik "Bemerkungen" aufgeführt werden!
(3) 40% Studienabbrecher allein an der Universität Köln sprechen eine deutliche Sprache; denn alle Abbrecher müssen für die Aufnahme ihres Studiums die Allgemeine Hochschulreife nachgewiesen haben. Dennoch haben sie diese Reife offensichtlich nur auf dem Papier besessen. Und kein Journalist stellt die Frage, woher diese Studenten kommen. Dabei wäre diese Frage relativ leicht zu beantworten, wenn man es wollte; sie ist aber wohl – bisher? – politisch nicht erwünscht.
(4) Die Anzahl der NC-Fächer ist insgesamt geringer geworden und damit auch der Notendruck. Man kann es sich heute also vielleicht eher "erlauben", für bessere Leistungen schlechtere Noten als andere zu bekommen. Auch der Arbeitsmarkt hat sich für Gymnasiasten entspannt; doch zeigen sich auch hier die Probleme der schwachen schulischen Ausbildung. Ich weiß aus erster Hand, dass die Kreissparkasse Köln über ihre Einstellungstests nicht aus 1000 Bewerbern die 100 Besten aussucht, sondern 1000 Bewerber testen muss, um 100 Geeignete zu finden.
(5) Vgl. Die Tagespost vom 5.1.02: Unter der Überschrift Die Angst, ein Streber zu sein ist dort zu lesen: "Talentierte deutsche Schüler leiden besonders stark unter dem Vorwurf, Streber zu sein. Insbesondere Mädchen schöpften ihr Leistungsvermögen aus Sorge um ihren Ruf in der Klasse nicht aus, heißt es in den vorläufigen Ergebnissen einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung, die die Universität Chemnitz am Donnerstag veröffentlichte. Damit verhalten sich deutsche Jugendliche offenbar anders als ihre Altersgenossen in Kanada und Israel, wo gute Noten die Anerkennung in der Klasse erhöhten. Befragt wurden mehr als 1500 Jugendliche in Deutschland, Kanada und Israel. Abschließende Ergebnisse der Studie, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, werden im April erwartet." - Auch hier sind m.E. nicht die Schüler zu kritisieren, vielmehr sind die Schüler die kurzsichtigen Opfer einer langfristigen ideologischen leistungsfeindlichen Politik der Erwachsenen.
(6) Vgl. Jahresbericht 2000, S. 47-49
(7) vgl. Zitate von Eberhard Menzel, dem neuen Rektor der FH Dortmund, im Kölner Stadtanzeiger vom 2.2.02: "Gut 30 Prozent der Studenten, die bei uns anfangen, haben die Grundbegriffe der Mathematik nicht mitbekommen. [...] Nach meiner Erfahrung fallen 70 bis 80 Prozent der Studenten in den Anfangssemestern in Mathe-Klausuren durch. [...] Wenn ich im Bauingenieurswesen wäre, würde ich sagen, dass die Brücken des Ingenieursnachwuchses wohl zusammenbrechen werden. [...] Sollen wir die Studenten durchkommen lassen und Ingenieure ausbilden, deren Kenntnisse immer schlechter werden, oder sollen wir ein bestimmtes Qualitätsniveau halten und Studenten nach Hause schicken?"
(8) So auch Regina Mönch in der FAZ vom 6.12.01: "Zwanzig Jahre lang weigerten sich Bildungspolitiker, Gewerkschaften und Lehrerverbände, die Schulen in internationale Schulleistungsvergleiche einzubinden. Eine Hamburger Schulsenatorin riskierte noch vor wenigen Jahren ihren Posten, als sie einem Bildungsforscher gestattete, die Lese- und Rechtschreibfähigkeiten eines ganzen Schülerjahrgangs ihrer Stadt zu testen. Man sprach von "Watergate im Klassenzimmer", die Lehrergewerkschaft GEW verklagte den Hamburger Senat wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Lehrern. Die Posse fand erst in diesem Frühjahr vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Ende."
(9) Zunächst nolens, dann überaus volens; denn wurde der Direktorenkonferenz des Erftkreises zunächst noch von höchster Stelle klar gemacht, dass Modelle zur Begabtenförderung (und Schulzeitverkürzung) nicht erwünscht seien; so standen sie schon wenig später im SPD-Programm zur Landtagswahl.
(10) vgl. die Ausführungen dazu in den Jahresberichten seit 1985 und in verschiedenen Abiturreden
(11) vgl. Regina Mönch a.a.O.: "Der neue "Pisa-Schock" läßt nun Kultusminister und Gewerkschaften Alarm schlagen - jenseits aller Selbstkritik, obwohl viele Funktionsträger jetzt eigentlich ihr Amt zur Verfügung stellen müßten." Dagegen möchte Ministerin Behler am liebsten ein Denkverbot aussprechen: vgl. ABI. NRW. 1 Nr. 12/01 Seite 350: "Das Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler [...] ist enttäuschend. Ich kann aber nur davor warnen, angesichts dieser Ergebnisse alte bildungspolitische Rituale wiederzubeleben. Standardantworten und Rechthaberei der jeweiligen bildungspolitischen Richtungen verbieten sich für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Schulstudie."
(12) Wenn die Ursachen primär bei den Lehrern zu suchen wären, müsste man erst recht fragen: Wer ist denn in unserem Land für die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrer an den Universitäten verantwortlich - wenn nicht die Kultusminister? Wer ist denn für die fachdidaktische, methodische und pädagogische Ausbildung der Referendare verantwortlich - wenn nicht die Kultusminister? Wer hat denn - jedenfalls bei den öffentlichen Schulen - die Lehrer eingestellt - wenn nicht die Kultusminister? Wer ist denn für die Weiterbildung der Lehrer zuständig - wenn nicht die Kultusminister? Wer ist denn schon immer für die Schulaufsicht zuständig - wenn nicht die Kultusminister und ihre Bezirksregierungen? Wer ist denn für die Richtlinien der Grundschule und der weiterführenden Schulen verantwortlich - wenn nicht die Kultusminister?
(13) vgl. Abiturrede 2000, in: Jahresbericht 2000; S. 189: "Nur so konnte es z.B. im vergangenen Jahr dazu kommen, dass sich verschiedene Schülergruppen der Jahrgangsstufen 10, 11 und 12 bei mir zu Recht beklagten, dass sie deutlich weniger Kurse belegen können, als es der Jahrgang davor noch konnte. "Wir wollen mehr lernen" sagten die Schüler, und ich musste ihnen sagen: "Ihr dürft aber nicht!"
(14) "Die Schulsysteme in den Bundesländern werden immer unterschiedlicher. So erhalten Schüler in Bayern von der ersten bis zur neunten Klasse laut Stundenplan über 1000 Unterrichtsstunden mehr als in NRW. Das entspricht dem Volumen eines Schuljahres. Dies ergibt eine Studie des Schulforschers Klaus Klemm für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft." Kölnische Rundschau vom 7.6.02
(15) Im Schuljahr 2003/04 wird das 1. Halbjahr 16 Wochen dauern, das 2. Halbjahr aber 23 Wochen! Halbjahre? Gut, dass uns unser Schulträger anders verfahren lässt.
(16) Vgl. Rundschreiben der Landeselternschaft vom 22.04.02. Rückmeldung sollte schon bis zum 13.5.02 erfolgt sein.
(17) vgl. W. Otte, Ursachen des künftigen Lehrermangels, in Jahresbericht 2001, S.20f
(18) Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache 13, Stand 05.05.2002, S.7
(19) a.a.O. S.4
(20) a.a.O. S.5
(21) a.a.O. S.6
(22) a.a.O. S.3
(23) Es gibt wohl immer noch Möglichkeiten der Steigerung. Vgl. Profil. Das Magazin für Gymnasium und Gesellschaft. Nr. 6/2002, S.14: "In einem Schreiben an SPD-Generalsekretär Franz Müntefering brachte der DPhV-Bundesvorsitzende Peter Heesen seine Empörung zum Ausdruck über eine Äußerung des SPD-Bundestagsabgeordneten Konrad Gilges. Dieser hatte im Parteispenden-Untersuchungsausschuss zu Protokoll gegeben: ‚Das war kein Mensch, das war ein Lehrer.' Er bezog sich mit dieser Bemerkung auf den ehemaligen Schatzmeister der Kölner SPD, Manfred Biciste."
(24) K. Popper, Alles Leben ist Problemlösen. Über Erkenntnis, Geschichte und Politik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1994, S. 276
(25) Die Tagespost berichtet in der Ausgabe vom 15.6.02 von einer Allensbach-Umfrage, "ob tatsächlich ein Betreuungsbedarf für Kinder zwischen null und drei Jahren besteht. [...] Demnach meinen nur zwanzig Prozent der Befragten, dass ein Kind in den ersten drei Lebensjahren auch gut von einer Tagesmutter oder in einer Kinderkrippe betreut werden kann. [...] Auch die erwerbstätigen Mütter entschieden sich für eine finanzielle Förderung und gegen mehr Angebote der institutionellen Fremdbetreuung. Achtzig Prozent der erwerbstätigen Mütter erklärten, ein solcher finanzieller Zuschuss wäre für sie selbst oder für ihren Partner ein Anreiz, um zu Hause zu bleiben und die Erziehung der Kinder zu übernehmen. Neun von zehn berufstätigen Müttern bejahten diese Aussage."
Auch zur vielfach propagierten Betreuung in Ganztagsschulen gibt es kritische Anmerkungen wie z.B. von E. Noelle-Neumann in der FAZ vom 19.06.02, S.5: "Ein neueres Thema bildet die Ganztagsschule. Wie sie sich entwickelt, ist noch nicht abzusehen. Man lobt, daß sie ein Beitrag sei, um Frauen die Doppelrolle als Mutter und als Berufstätige zu ermöglichen. Man lobt auch, daß die Kinder in der Ganztagsschule zu sozial freundlichem Verhalten erzogen werden. Eine andere Frage ist, ob es nicht notwendig ist, die Kinder auch zu befähigen, allein zu sein. Allein sein können ist notwendig, um kreativ zu sein und Konzentrationsfähigkeit zu üben. Aber für Kinder, die in Ganztagsschulen gehen, ist das nur schwer zu erreichen."
(26) z.B. Christa Meves, Macht den Eltern Mut, in: Rheinischer Merkur vom 18.04.02: "Hirnforschung und Erfahrungswissenschaft vermitteln die Einsicht, dass der intensive Einsatz der Mütter für ihre Kinder ein unschätzbarer Wert ist. Die Hirnentwicklung findet hauptsächlich in den ersten drei Lebensjahren statt, und die Bindungsforschung hat das in der Psychotherapie längst bekannte Wissen bestätigt, dass die beste Basis der seelisch-geistigen Entwicklung des Menschen in dieser Zeit durch eine liebevolle Mühewaltung der Mutter gelegt wird. Je mehr man versucht, diese mütterlichen Aufgaben zu delegieren, umso mehr erweist sich an den negativen Auswirkungen, wie unentbehrlich die Mutter für die Familie ist - selbstverständlich auch für die älteren Kinder, wenn dann auch nicht mehr in diesem Ausmaß. Mutterschaft ist keine austauschbare Rolle, sondern der elementar wichtigste Beruf aller Berufe, ja, im eigentlichen Sinne eine Berufung." Vgl. dazu einen Satz von E. Noelle-Neumann in der FAZ vom 19.06.02, S.5: "Aber was immer auch die Physiologie herausgefunden hat, oft wird es von der Bevölkerung nicht angenommen."
(27) vgl. Konrad Adam, Wie man die Kindheit kollektiviert, in: DIE WELT vom 15. 05. 2002: "Nie lernen Kinder mehr und gründlicher als in den ersten Lebensjahren. Und niemals wieder hängt der Erfolg des Lernens ähnlich stark von der Verfügbarkeit, der Reaktionsfähigkeit und der Zuwendung derjenigen Menschen ab, mit denen das Kind ständig zu tun hat. Die Annahme, dass diese Aufgabe von professionellen Kräften besser oder auch nur annähernd so gut erfüllt werden kann wie von den Eltern, hat nicht nur die Wahrscheinlichkeit gegen sich, sondern die Stimme der Wissenschaft auch. In dieser Hinsicht sind die Ergebnisse der modernen Neuropsychologie von geradezu überwältigender Evidenz. Das Hirn ist in den ersten Jahren wie ein dünn gesponnenes Netz, das der Aktivierung bedarf, um eng und fest zu werden. Was in dieser Zeit nicht belebt wird, verkümmert und stirbt ab, irreversibel."
(28) vgl. Konrad Adam, a.a.O.: "Das Krippenwesen der DDR gab eine Vorstellung von dem, was ein flächendeckendes Angebot von Betreuungseinrichtungen für Kinder von null bis 14 Jahren bedeuten kann. (Von "Angebot" zu sprechen, ist ein Euphemismus, weil das Gesetz, nach dem sich jedes Angebot seine Nachfrage schafft, natürlich auch hier gilt.) Das Krippenwesen war ein Zwangsinstrument, mit dessen Hilfe die sozialistische Einheitspartei Erwachsene zu Werktätigen und Kinder zu Jungen Pionieren erzog. Beliebt war es nie, und es wird bis heute gern als Ursache zitiert, wenn Ausländer verprügelt worden sind und es darum geht, Gründe für so viel Rohheit und Gewalt zu finden. Dann redet man vom Krippenwesen als einer bösen Hinterlassenschaft der DDR; aber auch nur dann. Wenn der Wunsch nach Fortschritt, so wie die Grünen ihn verstehen, wach wird, sind solche Erinnerungen unerlaubt."
(29) z.B. Susanne Mayer , in: DIE ZEIT – Wissen 45/2001: "Die Alarmzeichen sind deutlich sichtbar: Sie tauchen in Gestalt von Enten auf und watscheln auf den großen Fensterscheiben eines Kindergartens herum. Gelbe, rote, blaue Klone, von schwitzenden Fingern um Pappschablonen ausgeschnippelt, zwanzig-, dreißig-, vierzigfach: Zeugnisse von Sklavenarbeit, getarnt als Kindergartenidylle. Im Winter kommen die Enten als Engelchen daher. Über die Sommermonate sieht man Zöglinge solcher Kindertagesstätten von morgens bis abends draußen mit Schippe und Förmchen, so viel frische Luft, loben dann manche. Die Wahrheit: Hier werden kleine Genies auf pädagogisch magere Kost gesetzt. Buddeln, buddeln, und schon sind die kostbaren Kindersommer im Sand verschwunden. Es gibt auch Alarmzeichen für schlechte Kindergartenqualität, die man weder hört noch sieht: Wenn Kinder nach Hause kommen und nichts zu erzählen haben. Keine Würmer aus dem Boden gezogen, kein Lied gelernt, nichts Selbstgestaltetes nach Hause gebracht als stolze Tagesernte aus dem Kindergartenalltag."
(30) M. Mertes, in: Rheinischer Merkur vom 27.10.00: "Die Bundesregierung geht sogar noch weiter. "Drei K sind out. www ist in", ließ sie kürzlich in ganzseitigen Anzeigen verkünden. Kinder sind von gestern, Küche ist von gestern, Kirche ist von gestern. Kram für Leute, die den Anschluss an die Moderne verpasst haben. "Deutschland erneuern" - dafür braucht man diesen Ballast nicht. Doch halt! Demnächst werden die Deutschen nicht mehr darüber debattieren, wen sie gnädig als Neubürger hereinlassen wollen. Stattdessen werden sie auf Knien flehen, dass wenigstens ein paar qualifizierte Einwanderer den Weg zu ihnen finden. "Greencards" gibt es bald im Sonderangebot. Und die Frage lautet dann nicht mehr: Wollen wir die bei uns? Sondern: Wollen die zu uns? Wollen die in einem Land leben, dessen Regierung die "drei K" für "out" erklärt?"
(31) Wohin die Reise dann geht, kann man ahnen; denn es gibt schon Trendforscher, die "spielen Gott und korrigieren den Menschen als Mängelwesen. Sie diagnostizieren eine neue posthumane Wirklichkeit zwischen Samenhandel, geklonten Eizellen und künstlicher Gebärmutter. Die Gesellschaft soll in eine Phase der künstlichen Evolution treten, die neue Märkte schafft: Das Leben kann dann ganz einfach als "Designeraufgabe" vermarktet und verkauft werden. [...] Liebe und Lebenserfüllung aus der Steckdose oder dem Warenregal? Das könnte der nächsten Generation im 21. Jh. blühen, wenn sie weiter ohne Religion und ohne die Suche nach dem Wesentlichen oder einem Sinn des Lebens aufwachsen. Ihr Leben würde dann einem mit anderen geteilten elektronischem Traum von Homeservices, Anrufbeantwortern und halbstündigen Fernsehserien gleichen." Aus: Horst Opaschowski, Wir werden es erleben – Zehn Zukunftstrends für unser Leben von morgen, WBG Darmstadt 2002, S. 34ff.
(32) Marion Gräfin Dönhoff, Macht und Moral – Was wird aus der Gesellschaft?, Kiepenheuer&Witsch, Köln 2000, S. 84 (Text von 1973)
(33) "Das Problem ist, dass einige pränatale Diagnoseformen erst zu einem relativ späten Zeitpunkt aussagekräftig sind, die Fruchtwasseruntersuchung zum Beispiel erst zwischen der 15. und der 18. Woche. Andere Verfahren greifen noch später. Eine Schwangerschaft kann dann nur noch dadurch abgebrochen werden, dass die Geburt eingeleitet wird. Doch schon nach der 20. Schwangerschaftswoche überleben 30 Prozent der Kinder den Abbruch, und diese Zahl steigt mit jeder weiteren Woche an.
So wurde im Sommer 1997 in Oldenburg bei einem Fötus das Down Syndrom diagnostiziert; ein Arzt nahm den Abbruch vor, das Kind überlebte, wurde in eine Decke gewickelt und einige Stunden lang beobachtet. Erst dann versorgte man es. Der Arzt wurde wegen unterlassener Hilfeleistung angezeigt und – von der Mutter – wegen Nichterfüllung des Vertrages über eine Abtreibung auf Schadenersatz verklagt." - Heidrun Graupner, Abtreibung ohne Fristen; in: Süddeutsche Zeitung vom 19.06.02
(34) Im Mai ist der Tierschutz "in knapp einer Stunde" in das Grundgesetz aufgenommen worden. "In der gleichen Bundestagssitzung erzielte leider die Frage nach dem Umgang mit Spätabtreibungen keine Einigung. Die CDU-Fraktion blieb mit ihrem Antrag, die wachsende Zahl der Spätabtreibungen einzudämmen, auf der Strecke, Spätabtreibung bedeutet die unerträgliche Situation, dass Kinder, bei denen eine Behinderung festgestellt oder vermutet wird, bis zur Geburt abgetrieben beziehungsweise getötet werden können." Erich Läufer, in: Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln 22/02 vom 31.5.02, S. 5
(35) Die Möglichkeiten der pränatalen Diagnostik erhöhen aber auch den Druck auf die Ärzte, Fehleinschätzungen auszuschließen, um Schadensersatzklagen von Eltern (wegen unterlassener Abtreibung) zu verhindern. Also im Zweifelsfall nicht pro Embryo, sondern contra Embryo? Vgl. auch Heidrun Graupner, Abtreibung ohne Fristen; in: Süddeutsche Zeitung vom 19.06.02: "Die Furcht der Ärzte vor der Haftung hat eine rigide pränatale Diagnostik zur Folge. Je besser die Methoden werden, desto mehr geraten Ärzte und Frauen unter Druck, alles über das Kind zu erfahren . Gleichzeitig wird der Konflikt größer durch die immer wirkungsvolleren Methoden, Frühgeburten am Leben zu erhalten. Und weil viele Kinder eine Abtreibung überleben, wird immer häufiger eine Methode eingesetzt, für die es bisher keine Regelung gibt, der Fetozid: Ärzte töten das Kind mit einer Spritze – häufig enthält sie Kaliumchlorid – im Mutterleib und leiten dann die Geburt ein. Allerdings nimmt die Zahl der Ärzte ab, die zu einer Spätabtreibung bereit sind."
(36) vgl auch: Robert Spaemann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.03.2001, Nr. 68 / Seite 65: "Gegen die Mitleidsrhetorik sollten wir ein für allemal mißtrauisch sein, seit Josef Goebbels den Mitleidsfilm "Ich klage an" drehen ließ, um das Euthanasieprogramm des Dritten Reiches populär zu machen."
(37) vgl. Renate Schmidt (SPD): "Wir, die heute Mittelalten, werden nicht von Aktiendepots und Sparstrümpfen gepflegt werden können, sondern dazu brauchen wir real existierende Menschen. Ohne Kinder werden wir später ganz schön alt aussehen." Zitiert nach: Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln 22/02 vom 31.5.02 S.5
(38) J. Ratzinger, Mitarbeiter der Wahrheit, S.293f – dort zitiert nach: J. Ratzinger, Dogma und Verkündigung, München 3. Aufl. 1977, S. 250ff.
(39) Marion Gräfin Dönhoff, Macht und Moral – Was wird aus der Gesellschaft?, Kiepenheuer&Witsch, Köln 2000, S. 31
(40) Jürgen Habermas am 16.10.01 in Köln, zitiert nach: Kölnische Rundschau vom 17.10.01
(41) zitiert nach: Kölnische Rundschau vom 8.1.01
(42) zitiert nach: Blickpunkt, Ausgabe 4/2000, Informationen des Caritasverbandes für den Rheinisch-Bergischen-Kreis
(43) Bischof Johannes Dyba, in: Die Tagespost vom 1.10.98
(44) vgl. Rheinischer Merkur vom 30.06.00
(45) Johannes Paul II. in "Christifideles laici von 1988: "Um die zeitliche Ordnung [...] christlich zu inspirieren, können die Laien nicht darauf verzichten, sich in die Politik einzuschalten." Zitiert nach: Karl-Georg Michel, Als Christ Politik machen?, in: Die Tagespost vom 18.05.02


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